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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Mit Ausrufern und Fanfaren kündigte die Stadt das Ereignis an. Tausende von Zuschauern erlebten bei einem Volksfest wie der Käfig am großen Turm hochgezogen wurde. Er blieb dort viele Wochen als grausige Mahnung für die Menschen hängen. Die Nanini litt höllische Qualen. In der Mittagszeit verbrannte die Südsonne ihren Körper, sie erlitt grenzenlosen Durst und Hunger. Nachts fror sie entsetzlich. Die aufgeplatzte Haut entzündete sich schnell und Fliegen und Würmer fraßen den Körper langsam auf. Vögel setzten sich auf den Metallrahmen und pickten die Würmer aus den Wunden, sie zerfetzten das wunde Fleisch. Es stank auf der Piazza del Duomo entsetzlich nach Verwesung. Einzelne Teile des angefaulten Fleisches fielen auf die Straße, auf der sich die Hunde um die Reste stritten.
    Die Bürger eilten über die Piazza und wagten es nicht, zu den Fleischfetzen hoch zuschauen.
    „Wann hört der Gestank endlich auf?“ hörte man allenthalben fragen. „Wird die Hexe nicht bald abgehängt?“
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    Es war der vierzehnte Juni 1626. Der gehetzte Reiter in der Uniform der Palastgarde des Großherzogs nahm den kürzesten Weg von Florenz nach San Gimignano. Die heiße Somme r sonne brannte unbarmherzig vom wolkenfreien Himmel. Die glühende Luft über den Höhenz ü gen und Tälern der Toskana flimmerte wie über einem offenen Feuer. Der feine Staub der u n gepflasterten Wege wurde von den Hufen des galoppierenden Pferdes aufgewirbelt und stieg mit der heißen Luft auf. Das Pferd hüllte sich in eine eigene Schutzschicht aus schmierigen Fett und Schweiß. Der Schweiß auf seinem und des Reiters Körper zog den trockenen Staub wie ein Magnet an, vermischte sich mit ihm und bildete auf der Haut eine grau braune Brühe.
    Der Gardesoldat legte sich flach an den Hals des Pferdes und trieb seinen Braunen zur Eile an. Er kannte den Weg, da er ihn des Öfteren mit seinem Herrn geritten war. Weit vor der Stadt Certaldo, die auf dem Gipfel eines Hügels wie die Krone auf dem Haupte einer Majestät lag, auf der Höhe der kleinen Podere Rita Tre Colli, waren die hohen Türme der Stadt San G i mignano auszumachen. Bis nach San Gimignano würde es noch zwei Stunden dauern. Dann hatte er von da aus gegen den steilen Berg anzureiten bis er endlich nach einer weiteren Stunde die Burg Picchena erreicht haben würde.
    Der Offizier musste sich beeilen, wenn er noch vor der Dämmerung sein Ziel erreichen wollte. Die Orte Certaldo und Gimignano rückten allmählich näher. Doch behinderten immer wieder Hügel und kleinere Gipfel den direkten Weg. Seine Wegstrecke zog sich schier unendlich in die Länge. Der Offizier gönnte sich keine Pause, er spürte auch die Erschöpfung nicht. Eher dachte er an die Belastung seines erschöpften Pferdes und ob es diese Strapaze, diesen Ritt über viele Stunden in der glühenden Hitze durchhalten würde.
    Von San Gimignano aus hatte er noch das steilste Stück des Weges zurückzulegen. Der Weg führte durch einen kühlen Wald, der Tier und Mensch eine Erleichterung bot. Die Straße war nicht mehr so staubig, und die von dem grünen Laub der Bäume und dem feuchten Waldboden gekühlte und angefeuchtete Luft, ließ beide befreiter atmen. Dennoch hetzte der Bote das Tier mit seinen Sporen gegen den Hügel und trieb es bis zur Erschöpfung an. Es führte kein direkter Weg von San Gimignano zur Burg Picchena. Der Höhenzug mit der Burg war von drei Seiten durch sehr steile Hänge schlecht zugänglich. Zunächst mussten sie den Umweg über Castel San Gimignano reiten um dann nach einer kurzen Strecke nach Osten, schließlich ein Stück des Weges zurück nach Norden über den Kamm zur Burg jagen.
    Niemand in Castel bemerkte den Boten aus Florenz, da der Weg am östlichen Rande der Or t schaft vorbeiführte. Das Pferd schwenkte bald auf den recht schmalen Weg des Höhenkammes ein. Noch wenige Meilen und die friedliche Burg Picchena lag vor ihnen. Der Reiter hatte stets den Anblick dieser kleinen Festung geliebt. Hier hatte er ein anderes Leben als das in Florenz kennen gelernt. Dort die brodelnde Stadt mit den vielen Menschen, mit bunten Geschäften, marktschreierischen Gauklern und Komödianten, mit engen Gassen, in denen es gerade bei dieser Hitze unerträglich stank.
    Hier die Stille und Einsamkeit einer Burg mitten in einem dichten Wald. Er liebte die saubere, gereinigte, frische Luft, die das Atmen erleichterte und die seinen Körper wie ein leichter klarer Schleier umfing. Der Reiter hielt einen Moment

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