Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
Schulleitung hatte ja die Schule letzte Woche umbenannt. Angeblich hatte man den Rektor dazu gezwungen, hatte ihre Freundin Katie ihr zugeflüstert, aber Becky glaubte das nicht. Mister O’Reilly war ein netter Mann. Mama und Dad arbeiteten immerhin für Mister O’Reilly und sie hatte ihn sogar einmal selbst kennengelernt, bevor er Präsident geworden war. Natürlich durfte sie Katie nichts davon erzählen, denn in der Schule glaubten immer noch alle, dass Becky mit Nachnamen nicht Gallagher hieß, sondern Kenna.
Wo Mama nur blieb?
Die anderen Kinder waren alle schon nach Hause gegangen. Abgesehen von ein paar Passanten auf der Straße war sie allein. Aus der Sporthalle am anderen Ende des Schulhofs hörte sie gedämpften Lärm. Vermutlich die Größeren, die nach Schulschluss noch Blasterball spielten, dachte sie gelangweilt.
Becky stand auf und begann, die Stufen zum Haupteingang auf und ab zu hüpfen. Wenn Mama doch bloß bald käme … Sie fing an, Hunger zu haben.
Nach ein paar Minuten setzte sie sich müde wieder hin. Allmählich wurde sie ungeduldig und ihre ohnehin schon schlechte Laune verschlechterte sich noch mehr.
Eine schwarze Hover-Limousine hielt vor ihr auf der Straße an. Becky sah auf. Mist, das war nicht Mamas Wagen. Sie sah wieder weg und gähnte erneut. Sie war wirklich müde. Müde und hungrig. Die Augen fielen ihr schon zu.
»Becky Gallagher?«, fragte jemand.
Becky erschrak. Sie sah auf. Vor ihr stand ein Teräer. Er trug einen schwarzen Ledermantel und einen dunkelgrünen Anzug. Seine langen weißen Haare hatte er zu einem Zopf geflochten. Sein dunkles, fast schwarzes Gesicht wirkte freundlich, aber besorgt.
»Bist du Becky Gallagher?«, wiederholte er.
»Bin ich nicht«, sagte Becky schnell.
Der Teräer lächelte freundlich. »Ja, sicher. Ich meine natürlich Becky Kenna. So heißt du doch, nicht wahr?«
Becky stand auf und strich sich ihre blaue Schuluniform glatt. »Ja.«
»Ich kenne deinen Papa und deine Mama sehr gut. Wir arbeiten zusammen«, sagte der Teräer. »Deine Mama schickt mich. Es gab ein Problem bei der Arbeit und deshalb soll ich dich heute abholen. Kommst du mit?«
Das Mädchen sah unschlüssig auf die ihr hingehaltene Hand. Eigentlich hatte sie mit Dad und Mama für solche Fälle verabredet, dass ihre Eltern einem eventuellen Boten ein geheimes Wort sagen würden, dass außer ihnen nur Becky kannte. Sollte sie den Teräer jetzt danach fragen? Aber sie konnte ihm doch auch so vertrauen, oder? Genügte es nicht, dass er ihren richtigen Namen kannte?
»Was ist mit Mama?«, fragte sie.
Der Teräer kratzte sich an den schuppigen Hornplatten unter seinem Kinn. »Weißt du, wir hatten da heute einen kleinen Unfall …«
In Beckys Hals formte sich ein Eisklumpen. Ihre Knie zitterten.
»Nichts Schlimmes«, fügte der Teräer schnell hinzu, als er dem Mädchen den Schrecken ansah. »Deiner Mama geht’s gut. Komm mit, wir fahren zu ihr.«
»Na gut.« Die Angst um ihre Mutter hatte das Kind alle Verabredungen vergessen lassen. Sie sprang die Treppen hinab und schlüpfte auf den Beifahrersitz der Limousine.
Der Teräer folgte einen Moment später. Als er um den Wagen herumging, bemerkte Becky zum ersten Mal, dass der Mann hinkte.
*
»So eine Scheiße!«, fluchte Debi und trat gegen den Kotflügel ihrer Hover-Limousine.
»Sachte! Ich tu, was ich kann«, protestierte Jack Dietrich, der mit aufgekrempelten Ärmeln unter der Motorhaube des Fahrzeugs herumfummelte. »Ich bin nun mal nicht Raymon Cartier.«
»Es regnet«, klagte Debi, »und meine Tochter wartet auf mich.«
Dietrich entgegnete nichts und vertiefte sich wieder in das Studium des Motors. Ausgerechnet hier, über fünfzig Kilometer von Amyam entfernt, hatte der Wagen seinen Geist aufgeben müssen. Neben einem riesigen Plakat mit Evan O’Reillys Konterfei waren sie zum Stehen gekommen. Auf dem vielbefahrenen Highway neben ihnen brauste ein Wagen nach dem anderen vorbei. Keiner hielt an. Und nun hatte auch noch ein leichter Nieselregen begonnen.
»Außerdem regnet es«, ergänzte Debi, »sagte ich das schon?«
»Weiß ich nicht, ich hab nicht zugehört«, brummte Dietrich.
»Ich setz mich wieder rein«, verkündete Debi missmutig und stapfte davon. Kurz darauf hörte Dietrich, dass die Beifahrertür ziemlich heftig geschlossen wurde.
»Ja, genau«, murmelte er, »es reicht ja, wenn einer von uns nass wird.«
Es war wie verhext. Eigentlich sollte der Motor einwandfrei funktionieren. Dietrich konnte
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