Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
Luftschiffe wie ein stummes Ballett erschien. Die Sonne näherte sich dem Horizont und tönte die mit bunter Reklame bedruckten Bäuche der Luftschiffe goldfarben.
»Das ist kein richtiger Krieg und du bist kein richtiger General«, fuhr Wang fort. »Es geht hier nicht ums Gewinnen … höchstens im kommerziellen Sinne des Wortes.« Er grinste breit.
»Aber es soll realistisch sein«, wandte Clou ein, »und du brauchst meinen Input dafür.«
»Das ist wahr«, sagte Wang ruhig. »Du bist schließlich einer der Besten in der Branche. Aber du bist hier nicht auf einem deiner Schlachtfelder. Denk an früher. An den Zirkus. Alles nur Show.«
Wangs Bemerkung ließ Clou für einen Moment an seine Zeit in Madame Corallys Weltraumzirkus zurückdenken. Damals, vor gut zwanzig Jahren, hatten er und der drahtige kleine Chinese Nasho Wang als Artisten eine waghalsige Suspensorfeld-Akrobatiknummer einstudiert, die neben Corallys dressierten Tirkassen und dem Auftritt des Messerwerfers Spherion Chariklis einer der Höhepunkte der Vorführung gewesen war. Heute dachte Clou nur noch selten an diese Phase seines Lebens zurück. Corally und Spherion Chariklis waren tot und der Zirkus hatte sich nach dem tödlichen Unfall seiner Besitzerin aufgelöst. Während Clou wieder als freiberuflicher Frachterpilot und Söldner gearbeitet hatte, war Wang im Showbusiness geblieben und in die stetig wachsende tarsianische Tourismusindustrie eingestiegen.
Wang war es auch gewesen, der Clou und seiner Familie im vergangenen Jahr auf Tarsia Unterschlupf gewährt hatte. Ihm hatte Clou seinen neuen Job und seine neue Identität zu verdanken. Wang hatte den Stadtrat von Tara damals überredet, den arbeitslosen Söldner zum Kommandanten der Hafenfestung zu machen und ihm die Verantwortung für die Planung und Durchführung der täglichen Seeschlacht zu übergeben.
»Deine Denkansätze sind im Prinzip gut und haben auch schon Stoff für Diskussionen geliefert«, sagte Wang. »Yari und ein paar andere Ratsherren fanden die Idee mit den Schiffen aus anderen Epochen klasse. Im Moment wird überlegt, ob man in der übernächsten Saison die Piratenschiffe aus dem irdischen siebzehnten Jahrhundert nachbauen oder lieber die maritime Kriegsführung des zwanzigsten Jahrhunderts durchspielen soll. Yari sagt, er findet die Piratenschiffe besser, weil bei dem anderen Szenario, das du vorgeschlagen hast, Unterseeboote vorkommen.«
»Ich verstehe. Bei U-Boot-Kriegen gibt es nichts zum Zugucken«, sagte Clou bitter.
»Genau. Natürlich hängt alles davon ab, ob die Berilaner mitspielen. Es gibt einen Vorschlag der Gegenseite, statt der Galeeren lieber Wikingerschiffe einzusetzen, aber Yari sagt, das wäre lediglich eine kosmetische Änderung ohne strategische Neuerungen. Er fand auch deine primitiven Torpedos gut und hat sie im Rat verteidigt«, Wang schnupperte wieder an der Phiole mit den Kristallen. »Die Berilaner haben natürlich scharf dagegen protestiert, dass du ihre Schiffe mit einer Waffe angegriffen hast, die nicht im Reglement vorgesehen ist …«
»Speerschleudern sind legal«, protestierte Clou gereizt, »Artikel sieben, Absatz acht, Punkt römisch zwo. Guck nach, wenn du mir nicht glaubst.«
»Ich weiß, ich weiß«, Wang hob beschwichtigend die Hände, »Speerschleudern sind legal. Aber du bist der Erste, der auf die Idee gekommen ist, sie so knapp über der Wasserlinie abzufeuern. Normalerweise feuert man auf die Deckaufbauten des Gegners …«
»So ist Krieg nun mal«, sagte Clou gleichgültig. »Du erkennst einen Vorteil, nutzt ihn aus und gewinnst. Tust du es nicht, gewinnt der Gegner. Wenn du deine Seeschlachten realistisch inszeniert haben willst, musst du nach meinen Regeln spielen.«
»Das ist genau, was ich meinte, als ich vorhin sagte, dass du …«
Nasho Wang kam nie dazu, den Satz zu Ende zu führen. Mit einem schrillen Pfeifen, welches den beiden Männern die Ohren klingeln ließ, durchschlug ein faustgroßes Projektil den Boden der Gondel, den niedrigen Couchtisch, die Decke und die Luftkammern darüber.
»Was war das denn?«, fragte Wang entsetzt.
Clou sprang auf und kniete neben dem Loch im Fußboden nieder. Vorsichtig spähte er in die Tiefe, konnte aber unter dem Luftschiff keinen Angreifer erkennen. Allerdings schien es ihm, als würde der Ozean langsam näher kommen.
»Wir stürzen ab«, sagte Wang mit stockender Stimme.
»Oben ist irgendwas kaputt«, rief Clou und deutete auf die Öffnung in der Kabinendecke. Er zog
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