Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
auf der Zunge hatte, eilte bereits wieder der Regieassistent herbei und baute sich wichtigtuerisch vor dem Bühneneingang auf.
»Wir gehen in dreißig Sekunden auf Sendung. Madame, Gentlemen, sobald sich dieser Vorhang teilt, gehen Sie los. Zehn Schritte bis zum Aufgang aufs Podium. Fünf Treppenstufen. Dann geht Mister Kiergaard nach links und nimmt Platz. Mister Gonzales nach rechts. Miss Delanne nimmt sofort den ersten Stuhl. Auf dem vierten Platz blenden wir ein Hologramm vom Boss ein. Alles klar, weiß jetzt jeder, wo er sich hinsetzt?«
Nach den gut gemeinten Instruktionen des jungen Mannes war Tonya seltsamerweise nervöser als vorher. Sie wollte etwas fragen, hatte aber im gleichen Moment schon vergessen, was es war.
»Fünf Sekunden«, zischte der Regieassistent. »Showtime, Freunde!«
Die beiden Hälften des schweren Samtvorhangs teilten sich wie von Geisterhand und die drei Politiker standen plötzlich im blendend hellen Rampenlicht. Gonzales und Kiergaard ließen Tonya den Vortritt. Sie betrat die Bühne und stieg auf ihren hohen Absätzen langsam die Treppe zum Podium empor, dabei freundlich in alle Richtungen lächelnd.
Wie groß die Royal Arena war! Sie war schon etliche Male hier gewesen, hatte Benefizkonzerte eröffnet und Sportereignissen beigewohnt, aber noch nie hatte sie sich aus dieser Perspektive ein Bild davon machen können, wie es war, wenn man plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit von dreihunderttausend Augenpaaren stand. Als etwas in ihr sie dann noch daran erinnerte, dass dieser Abend live auf allen Planeten und Monden des kerianischen Reiches übertragen wurde und somit ein Publikum von etwa vier Milliarden Haushalten erreicht werden konnte, gaben ihre Knie ein wenig nach.
Tonya, Gonzales und Kiergaard nahmen auf den ihnen zugewiesenen Sesseln Platz, begleitet vom rhythmischen Klatschen ihrer jeweiligen Anhänger. Dann endlich erhellte der Lichtstrahl eines Hologrammprojektors den einzigen noch freien Sessel und knisternd nahm das Hologramm des Direktors der Stellar News Agency Gestalt an.
Nun erinnerte sich Tonya schlagartig auch die Fragen, die sie dem Regieassistenten hatte stellen wollen. Wie kam es eigentlich, dass ihr Gastgeber sich an diesem entscheidenden Abend nicht persönlich hier blicken ließ? Was könnte für ihn wichtiger sein als diese Veranstaltung? Wo zum Teufel steckte Katachara eigentlich?
Das Hologramm flackerte ein wenig, aber das Bild des hochgewachsenen Drobarianers war so plastisch, dass seine Gäste tatsächlich den Eindruck hatten, Katachara selbst hätte sich zu ihnen gesetzt.
Der SNA-Direktor sah aus wie immer. Dunkelgelbe Haut, ausdruckslose Facettenaugen, ein streng geschnittener grauer Anzug mit hohem Kragen, welcher die Narben verdeckte, die von seinem Stimmbandimplantat zeugten – und die Pfeife, ohne die man Katachara nie in der Öffentlichkeit zu sehen bekam.
Nachdem der Applaus im Publikum etwas abgeebbt war, lächelte er routiniert in die Kamera. »Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer Sondersendung, die ganz im Zeichen der kerianischen Wahlnacht steht. Mein Name ist Katachara, ich bin der Direktor der Stellar News Agency. Begrüßen Sie mit mir meine Gäste.«
Er deutete auf die drei Menschen, die neben ihm saßen. »Aver Kiergaard, Spitzenkandidat der Monarchistischen Union Kerians. Xavier Gonzales, Parteichef der Kerianischen Liberalen Front. Und natürlich begrüßen wir sehr herzlich Tonya Yvonne Delanne, Vorsitzende der Reformpartei und amtierende Premierministerin der Interimsregierung. Guten Abend.«
Das Publikum in der Arena spendete jedem Anwesenden höflichen Applaus. Tonya ließ sich nicht anmerken, wie sehr Katacharas Nennung ihres zweiten Vornamens sie beunruhigte. Sie hasste ihren zweiten Vornamen und hatte ihn seit der Grundschule verschwiegen. In allen Formularen, die sie seit ihrem zehnten Lebensjahr ausgefüllt hatte, war stets nur Tonya als ihr Vorname erschienen. Dass Katachara davon Kenntnis hatte, grenzte an ein Wunder. Tonya verstand, dass in seinen Worten eine versteckte Drohung lag; er wusste vermutlich mehr über sie, als sie ahnte.
»Meine erste Frage gilt Mister Kiergaard. Schildern Sie doch unseren Zuschauern und Ihren Wählern kurz, worin Sie die Verfehlungen der Interimsregierung sehen«, sagte Katachara mit freundlicher Stimme.
Typisch,
dachte Tonya. Die Fragestellung implizierte bereits, dass es Katachara in erster Linie lediglich um
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