Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg
stelle es mir nicht leicht vor, heute noch die Verwandtschaftsgrade nachzuvollziehen.«
»Äh, ja«, räumte Kiergaard ein, »das ist schon schwierig, kann ich Ihnen sagen.«
»Aber Sie machen das doch sicher nicht ganz allein«, suggerierte Katachara ihm. »Sie haben bei dieser schweren, verantwortungsvollen Aufgabe doch sicher kompetente Hilfe gefunden, nicht wahr? Schließlich reden wir hier von der Zukunft von Kerian.«
»Sicher«, sagte Kiergaard achselzuckend. »Wir haben eine Detektei beauftragt, die sich auf Ahnenforschung spezialisiert hat.«
»Die ehrwürdige Detektei Raleigh & Tally«, nickte Katachara, »ich weiß.«
»Sie wissen …?« Kiergaards Hände krampften sich plötzlich um die Armlehnen des Sessels, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
»Natürlich«, säuselte Katachara. »Warum beunruhigt Sie das, Mister Kiergaard? Ich bin Direktor einer Nachrichtenagentur; es ist mein Job, so etwas zu wissen. Oder haben Sie etwas zu verbergen?«
»N-nein, natürlich nicht.« Als Kiergaard energisch den Kopf schüttelte, flogen einige Schweißperlen davon.
»Schauen wir doch mal«, sagte Katachara. »Regie – Film ab, bitte!«
Flimmernd erschien eine holographische Filmaufzeichnung in der Luft über der Bühne und Tonya musste den Kopf in den Nacken legen, um etwas sehen zu können. Die Aufnahmen waren von mäßiger Qualität und scheinbar hastig und mit einer verborgenen Kamera in einem schlecht beleuchteten Bürozimmer gemacht worden. Gut zu erkennen aber waren die an der Szene beteiligten Personen: der stadtbekannte Privatdetektiv Ilion Tally und Aver Kiergaard. Von bescheidener, aber brauchbarer Qualität war auch die Tonspur des Films.
»Abgemacht. Fünfhunderttausend«, hörte man Kiergaards Stimme absolut lippensynchron zu seinem holographischen Ebenbild sagen, »für die Änderung aller Datensätze. Aber es muss aussehen wie echt!«
Als sich die beiden Männer die Hand reichten, wurde der Film angehalten.
»Sagen Sie mal, Mister Kiergaard«, sagte Katachara mit einem liebenswürdigen Tonfall, »was sind denn das für Datensätze, die da gefälscht werden sollten?«
In Kiergaards Wange zuckte ein Muskel. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Ab… Abstammungsnachweise«, würgte er heiser hervor.
»In-te-res-sant.« Katachara ließ jede Silbe auf der Zunge zergehen. »Wessen Familie denn?«
Kiergaard vergrub das Gesicht in den Händen. Am rhythmischen Zucken seiner Schultern erkannte Tonya, dass der alte Mann weinte.
»Meine«, schluchzte er leise.
Es war totenstill in der Royal Arena; man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Dann wurde Gelächter laut; zuerst vereinzelte höhnische Rufe, dann spöttisches Kichern, welches recht schnell in schallendes Lachen umschlug. Beinahe dreihunderttausend Menschen lachten über die Naivität und die Dreistigkeit, mit der Kiergaard versucht hatte, sich selbst als entfernten Verwandten des verstorbenen Königs auszugeben. Die wenigen Anwesenden, die nicht über Kiergaard lachten, pfiffen schrill oder buhten ihn aus. Die Saalordner hatten sichtlich Mühe, das johlende Publikum wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Kiergaard hielt dem Gespött der Öffentlichkeit immerhin fast zwei Minuten stand, ehe er schluchzend von der Bühne floh und hinter dem schweren Samtvorhang verschwand, durch den er vor wenigen Minuten erst hereingekommen war. Vor einigen Augenblicken war er noch ein aussichtsreicher Wahlkandidat gewesen, nun war er ein gebrochener Mann.
Tonya tupfte verstohlen eine Lachträne aus den Augenwinkeln. Auch sie war von dem allgemeinen Heiterkeitsausbruch überrascht und angesteckt worden.
»So viel zu den Chancen des MUK-Spitzenkandidaten«, gluckste Gonzales und zwinkerte ihr zu.
»Abwarten, was man mit uns noch vorhat«, flüsterte sie zurück.
»Kommen wir nun zu Xavier Gonzales und der KLF«, Katacharas Hologramm wandte sich an den Vertreter der Bürgerrechtsbewegung, als das Publikum sich wieder beruhigt hatte. »Sagen Sie, Mister Gonzales, wofür steht eigentlich KLF?«
»Kerianische Liberale Front«, antwortete Xavier Gonzales wie aus der Pistole geschossen. »Und wir meinen jedes einzelne Wort davon ehrlich.«
»Das hören Ihre Wähler sicher gern«, sagte Katachara gutmütig. »Können Sie das kurz erläutern, bitte?«
»Mit Vergnügen. Kerian steht im Mittelpunkt unseres Interesses. Liberal, weil wir für die Freiheit und Selbständigkeit des Einzelnen eintreten. Und Front … tja, das klingt vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher