Gallagher-Chroniken 02 - Gallaghers Krieg

und einen milchgesichtigen Jüngling, dessen pickliges Gesicht zu einer angsterfüllten Fratze verzerrt war.
    Der vierte Gefangene zeigte nicht einmal die Andeutung von Angst. Der junge Mann strahlte selbst in seiner jetzigen Situation eine unheimliche, bedrohliche Ruhe aus. Es war kein Zufall, dass er schon in jungen Jahren der beste und höchstbezahlte Söldner seiner Generation geworden war. Jetzt aber war ›Mad‹ Ota Jedrell ein hilfloser Gefangener der Drobarianer.
    Nur noch ein einziges Hindernis trennte Clou und Cartier von der Befreiung der Gefangenen – der hünenhafte Drobarianer, der in der Mitte des Raumes stand und einen doppelläufigen Blaster auf die Neuankömmlinge gerichtet hielt.
    »Kommandant Kuradora«, sagte Cartier höflich, »so sieht man sich wieder. Ist das Universum nicht klein?« Cartier erinnerte sich noch recht gut an den drobarianischen Offizier, dessen Schiff ihn vor über einem Jahr aus einer brenzligen Situation auf Symirus gerettet und nach Kerian gebracht hatte. Vom Regen in die Traufe.
    »Mister Cartier«, raspelte eine raue Stimme aus dem Translatormodul, das der Drobarianer auf seiner Brust trug, »ich grüße Sie. Irgendwie stecken Sie immer in Schwierigkeiten, wenn wir uns über den Weg laufen. Habe ich recht?«
    »Nun ja …«
    »Und Sie«, Kuradora deutete mit seiner Waffe auf Clous zerschrammte Rüstung, »Sie
machen
nichts als Schwierigkeiten, Mister Gallagher!«
    Cartier sah seinen Begleiter mit gespieltem Erstaunen an. »Gallagher? Wovon reden Sie da!«, rief er. Er brauchte sich nicht groß bemühen, seine Stimme überrascht klingen zu lassen.
    »Kommen Sie schon«, der Drobarianer lachte rasselnd, »für wie dumm halten Sie uns? Erstens haben wir keinen Soldaten vermisst, der uns von irgendwoher einen Gefangenen bringen konnte. Zweitens wurden Sie beide beim Verlassen des Shuttles automatisch durchleuchtet, wir haben Sie also durchschaut, wie man bei Ihnen sagt.« Kuradora lachte über seinen eigenen Witz.
    Clou griff an die Entriegelung seines Helms. Mit einer komplizierten Drehung öffnete er die scheinbar verkeilte Verschraubung. Als er den Helm abnahm, kam sein verschwitztes Gesicht zum Vorschein. »Das erklärt auch die Mühelosigkeit, mit der wir bis hierhin vordringen konnten«, stellte er nüchtern fest.
    Kuradora nickte. »Es gab nur einen möglichen Grund für Ihre Anwesenheit. Und da ich Sie sowieso ins Gefängnis stecken wollte, konnte ich auch warten, bis Sie von selbst dort hingehen würden.«
    Aus dem offenen Liftschacht hinter Clou und Cartier drang das ferne Klirren und Rasseln von Drobarianern in Kampfanzügen. Clou warf seinem Freund einen Seitenblick zu. »Versuch mal, die Tür zu verriegeln«, sagte er knapp, während er seine eigene Waffe weiterhin auf Kuradora gerichtet hielt.
    »Geben Sie sich keine Mühe«, winkte der drobarianische Kommandant ab. »In ein paar Sekunden sind Sie überwältigt. Es ist vorbei.«
    Cartier suchte fieberhaft den Türrahmen nach einem Schließmechanismus ab. »Da ist kein Schalter«, knurrte er.
    »Such weiter«, entgegnete Clou.
    Die Geräusche der sich nähernden Krieger wurden immer lauter. In wenigen Augenblicken würden sie die Gefängnisebene erreicht haben, dachte Cartier verzweifelt. Plötzlich entdeckte er einen kleinen grünen Knopf, der von einer Glasscheibe verdeckt war.
Die Notsteuerung für die Tür,
schoss es ihm durch den Kopf. Er holte mit der Faust aus.
    »Nein!« Kuradora richtete die Waffe auf Cartier. »Nicht den Knopf drücken!«
    *

    »Bei allem Respekt, Sir«, Aerion holte tief Luft, »aber ich bezweifle stark, dass Gallagher und Cartier Erfolg haben werden. Wer sagt uns, dass die beiden nicht die Gelegenheit zur Flucht genutzt haben?«
    »Wohin sollten sie schon fliehen?« Philco sah nachdenklich auf die Roboter, die den Schutt aus dem Hangar zurück ins All transportierten. »Dort draußen gibt es nur Asteroiden und Drobarianer.«
    »Und zwei getarnte Schiffe für den Rückflug«, gab Aerion zu bedenken.
    Philco schien plötzlich um Jahre zu altern, als ihm die Konsequenz dessen, was Aerion vermutete, klar wurde. »Wenn Cartier und Gallagher einfach unterwegs wieder in ihre Schiffe steigen …«
    »… sind sie vermutlich schon etliche Lichttage von hier entfernt, während Sie noch immer mit Kommandant Kuradora Scharmützel ausfechten«, führte Aerion den Satz zu Ende.
    Philco ließ die Schultern hängen. Gallaghers Plan war so simpel, so einleuchtend, so selbstverständlich gewesen!