Gallaghers Tod
Sie, Spencer, versuchen Sie keine Tricks. Ich bin womöglich Ihre einzige Chance, diese unheilvolle Anschlagsserie zu beenden, die unsere schöne Hauptstadt bedroht.«
Spencer verkniff sich einen Kommentar über die Dreistigkeit, mit der sich dieser verdammte Bombenleger, der unter anderem den jungen Chris Rossini auf dem Gewissen hatte, nun als Heilsbringer für die Bevölkerung von Kerian aufspielte. Für einen kurzen Moment überlegte er, wie weit es eigentlich von der Brücke, auf der sie standen, bis hinab auf den Boden des Landefeldes war – und ob Gregory ihn wohl decken würde, wenn Algernon nun plötzlich und unerwartet ausrutschte und in die Tiefe stürzte … Dann verdrängte er diese unprofessionellen Rachefantasien aus seinem Kopf. Algernon war zwar ein Verbrecher, aber es stand einem Inspector der Kriminalpolizei nicht zu, Selbstjustiz zu üben. Algernons Uhr lief ab, und zwar schneller, als er ahnte. Nur noch ein paar Schritte, dann würde er in Polizeigewahrsam sein.
»Selbstverständlich, Sir«, säuselte er. »Wenn Mylord mir bitte folgen wollen?«
*
Zwar waren es tatsächlich nur ein paar Hundert Meter durch den Wald, doch der Boden war von den ständigen Unwettern der letzten Monate aufgeweicht und morastig. Als Rebecca, Clou und Claire endlich die Straße erreichten, die zum Haus von Hassan al-Akrab führte, sahen die drei aus, als hätten sie einen tagelangen Marsch durch den Urwald hinter sich.
»Wir hätten einfach in seinem Vorgarten parken sollen«, brummte Clou. »Zu meiner Zeit hätte man das anders gemacht.«
»Wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen«, erinnerte Rebecca ihn. »Wir haben nur ein paar Fragen an al-Akrab, mehr nicht.«
Sie folgten Claire zu einer vornehmen Villa, die von einer hohen Mauer umgeben war. Von der Straße aus war zu sehen, dass im Haus Licht brannte.
»Hier ist es«, sagte sie.
»Keine Alarmanlagen, keine versteckten Waffen«, stellte Clou mit Kennerblick fest. »Die Mauer ist mehr ein Sichtschutz als eine wirksame Maßnahme gegen Einbrecher. Wir werden ohne Probleme …«
Dann verstummte er, als Claire eine flache Taste betätigte, die neben dem Eingangstor unter einem Kameraauge in die Wand eingelassen war. Im nächsten Moment tauchte ein Scheinwerfer sie in gleißendes Licht. Aus einem Lautsprecher in der Wand hörten sie eine überraschte Stimme: »Claire? Bist du das?«
»Guten Abend, Hassan. Darf ich reinkommen?«
Zur Antwort ertönte ein Summton, und das schwere Gartentor öffnete sich. Rebecca folgte Claire den kurzen, mit weißem Kies aufgeschütteten Weg hinauf zum Haus. Clou trottete schlecht gelaunt hinter den beiden jungen Frauen her.
Das Eingangsportal der Villa wurde von schneeweißen Säulen flankiert. In der offenen Tür wartete ein Mann mittleren Alters. Er schüttelte den Kopf, als die drei unangemeldeten Besucher näher kamen.
»Claire, meine Liebe. Geht es dir gut? Was machst du hier?« Hassan al-Akrab reichte seiner Ex-Frau höflich die Hand, ehe er Rebecca und Clou musterte. In seinen Augen flackerte Erkennen auf, doch wagte er offenbar nicht, die Wahrheit auszusprechen. Er entschied sich für eine diplomatische Lösung: »Möchtest du mir deine Freunde vielleicht vorstellen?«
»Gerne.« Claire lächelte dünn. »Das sind Rebecca und Clou Gallagher. Ich glaube, ihr kennt euch noch nicht.«
Al-Akrabs Augen drohten aus den Höhlen zu treten. Rebecca konnte sich vorstellen, was in einem überzeugten kerianischen Monarchisten wie ihm gerade vorgehen musste. »Bitte. Treten Sie ein«, würgte er hervor.
»Danke.«
Die drei Besucher nahmen in einer bequemen Sitzgruppe Platz, die den größten Teil des Wohnzimmers ausmachte. Ihr Gastgeber blieb unschlüssig stehen. »Was kann ich für euch tun?«, fragte er dann zögernd.
»Wir hätten gerne Antworten auf ein paar Fragen«, begann Claire.
Al-Akrab hob abwehrend die Hände. »Oh, bitte nicht schon wieder. Ich war den ganzen Tag im Polizeipräsidium wegen dieser Sache.«
»Und man hat Sie gehen lassen?«, fragte Clou skeptisch.
Der Politiker sah ihn finster an. »Okay, machen wir es kurz. Habe ich Gufod Neem beauftragt, Nnallne umzubringen? Nein, habe ich selbstverständlich nicht. Habe ich ihn beauftragt, Raymon Cartier das Dach über dem Kopf wegzusprengen? Nein, habe ich auch nicht. Hat die KPF irgendetwas mit den Attentaten von Gufod Neem zu tun? Nein, hat sie nicht. Ich wusste bis vor zwei Tagen noch nicht mal, wer dieser Typ ist – geschweige denn dass er bei uns
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