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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Dichter war, ein Mann der Berge, ein Buddhist, der sich dem Prinzip der Meditation über das Wesen aller Dinge verschrieben hatte; übrigens auch ein Vegetarier, obgleich ich das nicht mitmache, denn ich habe mir überlegt, dass es doch ein bisschen was von Haarspalterei hat, wenn jemand in dieser modernen Welt Vegetarier ist, wo doch alle gesund empfindenden Lebewesen essen, was sie können. Und er war ein Mann der Einsamkeit, der es fertigbrachte, sich mit sich selbst zu beschäftigen, rein zu leben und sich selbst treu zu sein.»
    «Hat auch Ähnlichkeit mit dir.»
    «Und mit dir auch, Ray. Ich habe nicht vergessen, was du mir von North Carolina erzählt hast und wie dich du da in den Wäldern der Meditation verschrieben hast.»
    Japhy war sehr traurig, niedergeschlagen, ich hatte ihn nie so schweigsam, melancholisch und nachdenklich gesehen. Seine Stimme war zart wie die einer Mutter. Es war, als ob er von weit weg zu einem armen, vor Sehnsucht verschmachtenden Lebewesen sprach, das seine Botschaft unbedingt hören musste. Es war überhaupt nicht aufgesetzt, er war wirklich ein wenig in Trance.
    «Hast du heute schon meditiert?»
    «O ja, meditieren ist das Erste, was ich morgens mache, noch vor dem Frühstück, und auch am Nachmittag meditiere ich immer lange, wenn ich nicht unterbrochen werde.»
    «Wer unterbricht dich?»
    «Ach, Leute. Manchmal Coughlin, und gestern war Alvah da und Rol Sturlason, und manchmal kommt dies Mädchen, mit dem ich Yabyum spiele.»
    «Yabyum? Was ist das?»
    «Du weißt nicht, was Yabyum ist, Smith? Ich werde es dir bei Gelegenheit erklären.» Er war offenbar zu traurig, um von Yabyum zu reden. Ein paar Tage später kriegte ich dann heraus, was es damit auf sich hatte. Wir sprachen noch eine Weile von Han Shan und von Gedichten an Felswänden, und als ich wegging, kam sein Freund Rol Sturlason, ein großer blonder, gutaussehender Junge, herein, um seine bevorstehende Reise nach Japan mit ihm zu besprechen. Dieser Rol Sturlason interessierte sich für den berühmten Ryoanji-Felsgarten des Shokokuji-Klosters in Kyoto, was im Grunde nur alte Felsblöcke sind, aber vermutlich nach einer mystischen Ästhetik angeordnet, sodass Tausende von Touristen und Mönchen jedes Jahr dahin reisen, um die Felsen im Sand anzustaunen und dadurch ihren Seelenfrieden zu finden. Ich habe noch nie einen so merkwürdigen und dabei so ernsthaften Burschen kennengelernt. Ich habe Rol Sturlason nie wieder gesehen. Er ging bald darauf nach Japan, aber ich kann nicht vergessen, was er mir antwortete, als ich ihn fragte: «Und wer hat die Felsbrocken so großartig angeordnet?»
    «Das weiß keiner. Irgendein Mönch, mehrere Mönche, vor langer Zeit. Aber es ist eine ganz bestimmte, geheimnisvolle Struktur in der Anordnung der Felsen verborgen. Nur durch Form und Struktur können wir Leere erkennen.» Er zeigte mir ein Bild von den Felsblöcken, die im gut geharkten Sand wie Inseln im Meer aussahen, die aussahen, als hätten sie Augen (abschüssige Einbuchtungen), und die von einem sauber abgeteilten und architektonisch reizvollen Klosterhof umgeben waren. Dann zeigte er mir einen Grundriss des Felsen-Arrangements und erklärte mir die geometrische Logik und alles und benützte Ausdrücke wie «Einsame Individualität» und nannte die Felsen «Beulen, die in den Weltenraum ragen», aber für all dieses Zeug interessierte ich mich viel weniger als für ihn selbst und vor allem für den guten, freundlichen Japhy, der auf seinem geräuschvollen Gaskocher neuen Tee braute und uns mit einer fast orientalisch schweigsamen Verbeugung immer noch einmal die Tassen vollschenkte. Es war so ganz anders als der Abend der Dichterlesung.

4. Kapitel
    Am nächsten Abend jedoch trafen Coughlin und ich und Alvah uns gegen Mitternacht und kamen auf die Idee, eine große Gallone Burgunder zu kaufen und Japhy in seiner Bude zu überfallen.
    «Was macht er denn heute Abend?», fragte ich.
    «Weiß nicht», sagte Coughlin, «vielleicht sitzt er über seinen Büchern, vielleicht vögelt er. Wir werden es ja sehen …» Wir kauften die Gallone am unteren Ende der Shattuck Avenue und gingen hin, und wieder sah ich sein schäbiges englisches Fahrrad auf dem Rasen. «Japhy fährt mit diesem Fahrrad und mit seinem Rucksack auf dem Buckel den ganzen Tag kreuz und quer durch Berkeley», sagte Coughlin. «Das Gleiche hat er auch am Reed College in Oregon getan. Er gehörte da oben zum festen Inventar. Damals brachten wir die großen Partys

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