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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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drin, die alle ineinanderpassten und wie ein einziges Stück in einem zugeknoteten großen blauen Bandana-Halstuch zusammengebunden und verstaut waren. Dann seine japanischen Pata-Schuhe aus Holz, die er nie anzog, und ein paar schwarze Socken, die zu den Pata-Schuhen gehörten und mit denen er leise auf seinen hübschen Strohmatten herumlief, gerade eben Platz für vier Zehen auf der einen, für den großen Zeh auf der anderen Seite. Er besaß eine ganze Menge Apfelsinenkisten, alle voll von den herrlichsten gelehrten Büchern, einige darunter in orientalischer Sprache, all die großen Sutras, Kommentare zu den Sutras, die gesammelten Werke von D. T. Suzuki und eine ausgezeichnete vierbändige Ausgabe japanischer Haikus. Er hatte auch eine ungeheure Sammlung von wertvollen Werken der Lyrik überhaupt. Wirklich, wenn ein Dieb da eingebrochen hätte, wären das einzig Wertvolle die Bücher gewesen. Was Japhy zum Anziehen hatte, waren lauter abgetragene Klamotten, die er mit einem listigen und glücklichen Gesicht in Goodwill- und in den Läden der Heilsarmee gekauft hatte: gestopfte Wollsocken, farbige Unterhemden, Jeans, Arbeitshemden, Mokassins und ein paar Rollkragenpullover, die er in den kalten Bergnächten einen über den anderen trug, wenn er in den High-Sierras in Kalifornien oder in den High-Cascades in Washington und Oregon auf einem seiner unglaublich ausgedehnten Ausflüge war, die manchmal Wochen und Wochen dauerten und auf denen er nichts als ein paar Pfund Trockenfrüchte in seinem Rucksack mithatte. Ein paar Apfelsinenkisten bildeten einen Tisch, auf dem eines sonnigen Spätnachmittags, als ich ankam, neben ihm eine friedliche Tasse Tee dampfte, während er seinen Kopf ernsthaft über die chinesischen Schriftzeichen des Dichters Han Shan beugte. Coughlin hatte mir die Adresse gegeben, und ich war hingegangen, hatte zuerst Japhys Fahrrad auf dem Rasen vor dem großen Vorderhaus gesehen (wo seine Wirtin lebte) und dann die kleine Sammlung komischer Felsen und Steine und seltsamer kleiner Bäume, die er von Bergtouren mitgebracht hatte, um sie in seinem eigenen «Japanischen Teegarten» oder «Teehaus-Garten» anzupflanzen, da passenderweise über seiner kleinen Behausung sowieso schon eine Pinie im Winde rauschte.
    Noch nie hatte ich eine so friedliche Szene gesehen wie an jenem so schnell verdämmernden roten Nachmittag, als ich einfach seine kleine Tür öffnete und hineinguckte und ihn hinten in der Hütte mit gekreuzten Beinen auf einem Kissen auf einer Strohmatte sitzen sah. Er hatte seine Brille aufgesetzt, wodurch er alt und gelehrt und weise aussah, und er hatte ein Buch auf dem Schoß, und die kleine Teekanne aus Zinn und die Porzellantasse dampften neben ihm. Er blickte sehr friedlich auf, sah, wer es war, und sagte: «Ray, komm rein», und senkte seine Augen wieder über den Text.
    «Was machst du da?»
    «Ich bin dabei, Han Shans gewaltiges Gedicht ‹Vom kalten Berg› zu übersetzen. Es ist an die tausend Jahre alt, und manches davon hat er auf die Seitenwände von Felsen gekritzelt, Hunderte von Kilometern von jedem anderen Lebewesen entfernt.»
    «Toll!»
    «Wenn du dies Haus betrittst, musst du dir allerdings erst die Schuhe ausziehen. Sieh dir die Strohmatten an. Mit Schuhen machst du sie kaputt.» Also zog ich meine blauen Stoffschuhe mit den weichen Sohlen aus und stellte sie pflichtgemäß neben der Tür ab, und er warf mir ein Kissen zu, und ich setzte mich mit gekreuzten Beinen an die niedrige hölzerne Bretterwand, und er bot mir eine Tasse mit heißem Tee an. «Hast du schon mal das Buch vom Tee gelesen?», fragte er.
    «Nein, was ist das?»
    «Es ist eine gelehrte Abhandlung über die Kunst des Teemachens, in der alle Erfahrungen von zweitausend Jahren des Teekochens nutzbar gemacht werden. Da wird beschrieben, wie der erste, der zweite und der dritte Schluck Tee wirkt, und manche dieser Beschreibungen sind wirklich wild und ekstatisch.»
    «Diese Typen brauchten nicht viel, um high zu werden, oder?»
    «Trink deinen Tee, und du wirst es selbst merken. Das ist guter grüner Tee.» Er war gut, und ich fühlte mich sofort ruhig und warm. «Soll ich dir mal was aus dem Han-Shan-Gedicht vorlesen? Soll ich dir mal was von Han Shan erzählen?»
    «O ja!»
    «Weißt du, Han Shan war ein chinesischer Gelehrter, den die große Stadt und die Welt ankotzte und der loszog, um sich in den Bergen zu verstecken.»
    «Klingt ganz nach dir.»
    «Damals konnte man das wirklich machen. Er lebte

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