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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Gefühlen für Princess einmal ganz abgesehen, damals auch gerade ein ganzes Jahr im Zölibat gelebt hatte, und zwar ausgehend von dem Gefühl, dass die Sinnenlust die Ursache der Geburt, diese wiederum die Ursache allen Leidens und des Todes ist, und ich war wirklich und ungelogen an einem Punkte angekommen, an dem ich die Sinnenlust als ekelhaft und sogar als grausam betrachtete.
    «Hübsche Mädchen sind wie ein Grab», waren meine Worte, immer dann, wenn ich unwillkürlich meinen Kopf herumdrehen musste, um den unwahrscheinlich gutaussehenden Indianerinnen in Mexiko nachzustarren. Und weil mir jede aktive Sinnlichkeit fehlte, führte ich ein neues, friedliches Leben, das ich sehr genoss. Aber das war zu viel. Ich hatte immer noch Angst davor, mich auszuziehen. Außerdem hatte ich so was noch nie gern vor mehr als einer Person gemacht, vor allem nicht, wenn Männer in der Nähe waren. Aber Japhy kehrte sich einen feuchten Kehricht um solche Sachen, und es dauerte gar nicht lange, da machte er Princess glücklich, und dann war Alvah dran, und seine großen ernsten Augen starrten in das schummrige Licht, und vor ein paar Minuten hatte er noch Gedichte gelesen. Da sagte ich: «Wie ist das, soll ich mal bei ihrem Arm anfangen?»
    «Na los, großartig», und das tat ich auch, legte mich ganz und gar angezogen auf den Fußboden, küsste ihr die Hand, dann das Handgelenk, dann rauf zu ihrem Körper, und sie lachte dabei und weinte fast vor Freude, weil sie von allen überall bearbeitet wurde. Die ganze friedvolle Keuschheit des Buddhismus ging in die Binsen. «Smith, ich misstraue jeder Art von Buddhismus und überhaupt jeder Art von Philosophie und jedem sozialen System, in dem das Geschlechtliche schlechtgemacht wird», sagte Japhy ganz ernsthaft und dozierend, nun, da er fertig war und nackt, mit gekreuzten Beinen dasaß und sich eine Bull Durham Zigarette drehte (das gehörte zu seinem Ideal vom einfachen Leben).
    Das Ganze endete damit, dass alle splitternackt und vergnügt in der Küche eine Unmasse von Kaffee kochten, und Princess lag nackt auf dem Fußboden, die Arme um die Knie geschlungen und seitlich hingerollt, nur mal so und weil es ihr Spaß machte, und schließlich gingen wir miteinander in die Badewanne und nahmen ein heißes Bad, und wir konnten hören, wie Alvah und Japhy im Nebenzimmer über das Thema ‹Irrsinnige Zen-Orgien mit freier Liebe› diskutierten.
    «Du, Princess, wir machen das von jetzt ab jeden Donnerstagabend, nicht?», rief Japhy laut. «Das wird eine regelmäßige Einrichtung.»
    «Jaaa», johlte Princess aus der Badewanne. Ungelogen, sie war wirklich glücklich über das Ganze und sagte mir: «Weißt du, ich fühle mich wie die Mutter aller Dinge, und ich muss auf meine kleinen Kinder aufpassen.»
    «Und dabei bist du so jung und hübsch.»
    «Ich bin aber die alte Mutter der Erde. Ich bin ein Bodhisattva.» Sie war einfach ein wenig durcheinander, aber als ich sie ‹Bodhisattva› sagen hörte, wurde mir klar, dass sie ein großer Buddhist wie Japhy werden wollte, und um das auszudrücken, gab es für sie, weil sie ein Mädchen war, nur diesen einen Weg, der seine traditionellen Wurzeln in der Yabyum-Zeremonie des tibetischen Buddhismus hatte, und so war alles in Ordnung.
    Alvah war unendlich zufrieden und war Feuer und Flamme bei der Idee «Jeden Donnerstagabend», und inzwischen ging es mir genauso.
    «Alvah, Princess sagt, sie ist ein Bodhisattva.»
    «Natürlich ist sie das.»
    «Sie sagt, sie ist die Mutter von uns allen.»
    «In Tibet und in Teilen des Alten Indien», sagte Japhy, «nahm man die Bodhisattva-Frauen und benutzte sie in Tempeln und manchmal in Opferhöhlen als heilige Konkubinen, und so machten sie sich verdient und meditierten auch. Ob Mann oder Frau, sie meditierten alle, fasteten, amüsierten sich wie wir eben, gingen wieder zum Essen, tranken, redeten, wanderten herum, lebten während der Regenzeit in Viharas und während der Trockenperiode in der freien Natur. Sexuelle Probleme gab es nicht, was ich immer an orientalischen Religionen gut gefunden habe und worauf ich auch bei den Indianern in unserem Lande stehe … Wisst ihr, als ich ein kleiner Junge in Oregon war, fühlte ich mich überhaupt nicht als Amerikaner mit all den Idealen von trautem Eigenheim und mit sexuellen Verdrängungen und dem ewigen Einerlei von ‹Dies tut man nicht› und ‹Das darf man nicht› und der Zensur all unserer echten menschlichen Werte. Aber als ich den Buddhismus und

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