Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
trivial» erscheinen lassen würde; in The Dial veröffentlichte er 1844 das erste Sutra (eine poetische Adaption von Buddhas Lehren) in englischer Sprache in den USA. Wie seinerzeit der Transzendentalismus hatte auch die Beat-Generation von Anfang an sowohl eine Krise als auch eine Erneuerung des Glaubens deutlich gemacht: «beat» («geschlagen»), so Kerouac, meinte eigentlich «beatific» («glückselig»). Die Quelle für Kerouacs und Ginsbergs diesbezügliche Vorstellung lag allerdings in Eurasien und Europa: Es waren das Heilige Russland und Dostojewskis qualvolle, absurde Porträts slawischer Geisteskranker, Narren und Heiliger. Angesichts des spirituellen Bankrotts des Westens, an dem die beiden keinen Zweifel hatten, war eine Hinwendung noch weiter nach Osten vorgezeichnet. Kerouac hoffte, mit Gammler, Zen und hohe Berge «in der Szene eine Bresche für den Buddhismus zu schlagen … alle lesen Suzuki auf der Madison Avenue» und den Weg für Snyders Dichtung zu ebnen. Er kündigte sogar an: «Gary, dieses Jahr wird deines.» Zu Kerouacs Enttäuschung schaffte Gammler, Zen und hohe Berge es zwar nicht auf die Bestsellerlisten, aber später nahm er durchaus zu Recht für sich in Anspruch, dass «es einige Leute auf das Dharma angetörnt hat».
Obwohl Snyder zunächst bekundet hatte, er sei «überrascht und berührt» von den «vielen freundlichen Dingen», die Jack in diesem «herrlichen Buch» über ihn gesagt hatte, war er nicht gerade glücklich damit. Im März 1959 schrieb er einem ahnungsvollen Kerouac: «Ich habe dir gesagt, dass ich es mag … aber das trifft es nicht ganz richtig … Glaubst du selbst , dass du [den Buddhismus] verstehst?» Außerdem machte er düstere Andeutungen über eine Hölle, «wo die Zunge des Schriftstellers mit einer rot glühenden Beißzange herausgerissen wird». Obwohl die beiden ihre Querelen schließlich beilegten, war Snyder immer der Überzeugung, dass Kerouac dem Buddhismus nur wenig mehr entnommen hatte als dessen Betonung des Mitgefühls und das Gespür für die Unermesslichkeit von Zeit und Raum – aber beide Elemente ließen sich auch in Kerouacs Auffassung vom Katholizismus finden und waren in seinen Arbeiten bis hin zu The Town and The City nachweisbar. Die Kritik von Alan Watts («Arthur Whane» in Gammler, Zen und hohe Berge ), der in diversen Bestsellern den Buddhismus populär machen sollte, klang wie das Echo einiger Kritiker in den Mainstream-Medien – Kerouac «hat Zen-Fleisch, aber keine Zen-Knochen»; außerdem würde er das zentypische «‹Alles ist erlaubt› auf der existenziellen Ebene mit dem ‹Alles ist erlaubt› des künstlerischen und sozialen Lebens» [verwechseln].
Aber an erster Stelle war es der vergleichsweise Mangel an Dogmen, der den Buddhismus für Kerouac so attraktiv machte. Snyder mochte Buddhismus als Chance sehen, die Einschränkungen, die die Vorstellung von einem allmächtigen Gott mit sich brachten, zu überwinden; der Buddhismus selbst verlangt von seinen Konvertiten nicht, dass sie ihrem früheren Glauben abschwören. Auch war Kerouac skeptisch, was den Zen-Buddhismus betraf, dem Snyder sich verschrieben hatte, bei dem eine Reihe von Übungen, ausgeführt mit strenger Disziplin, den Weg zu immer höheren Stufen der Erleuchtung weisen. In Gammler, Zen und hohe Berge gibt Ray Smith offen seiner Verachtung «für diese verrückten Zen-Meister» Ausdruck, «die ihre jungen Schüler in den Dreck treten, weil sie ihre verrückten Fragen nicht beantworten können» – das sei schlicht «gemein». Kerouac zog den älteren, alles einschließenden Mahayana-Buddhismus dem japanischen Zen-Modell vor, das in seinen Augen zu Selbstgerechtigkeit führen konnte; «Rechtschaffenheit», begreift Ray, ist die größte Sünde an sich, und er selbst war dagegen alles andere als immun. Rays Weigerung, das Matterhorn bis zum Gipfel zu besteigen, obwohl er die letzten Meter im Blick hat und dazu auch in der Lage wäre, ist schon fast pervers zu nennen. Er klammert sich stattdessen auf seinem «schützenden Sims» fest und überlegt einen Augenblick lang, ob Japhy nicht nur bewundernswert, sondern auch verrückt ist. Wenn es bei Japhy um einen Buddhismus der Handlung geht, dann ist Ray der «Buddha der Drückeberger». Smith/Kerouac möchte schon weiter klettern, aber er will nicht auf die Probe gestellt oder gedrängt werden. Vielleicht ist es genauso wesentlich, den Gipfel nicht zu erreichen, wie den Berg zu erklimmen.
Die
Weitere Kostenlose Bücher