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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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stimmt ihm laut johlend zu: «Unparteiisch, genau das ist Buddhismus!» Buddhismus war für den Westen eine Kur, «eine Klinik», wie Kerouac in Mexico City Blues schrieb, «für die Kranken/kurz vor ihrer kristallenen Niederkunft».
    Der Buddhismus verhieß Kerouac eine Welt, in der die Tramps ihren eigenen religiösen Vorstellungen nachgehen konnten, und zwar viel ökumenischer, als das Christentum es jemals formuliert hatte. Hier gab es eine spezielle Form der Vereinigten Kirche, «große, wilde Horden heiliger Männer», wie Kerouac in Gammler, Zen und hohe Berge schreibt, «Zen-Verrückte», die allen Kreaturen die «Vision der Befreiung von der Ewigkeit» brachten und eine Lebensweise heiligten, die in Amerika immer schneller am Verschwinden war: die des Vaganten, des herumziehenden Wanderarbeiters, des «Gammlers». Das «Dharma» in Kerouacs Titel der Originalausgabe steht für «Wahrheit», aber in dem Wort «Gammler» schwingt etwas Älteres und Tieferes mit. Es beschwört geliebte Bilder aus Kerouacs Kindheit herauf, Erinnerungen an die Zeit der Depression, als Männer «mit nichts als einer Papiertüte für ihr Gepäck» herumzogen, wie er sie in Desolation Angels beschreibt, «die für Kaffee und Donuts Schlange standen … und auf Müllplätzen am Flussufer herumstöberten auf der Suche nach Gerümpel, das sie verkaufen konnten». Solche Bilder haben eine lange Tradition im amerikanischen Leben und dessen Alltagskultur, von den Liedern der Wobblies und Charlie Chaplins Tramp bis hin zu Sullivans Reisen (1941), einem Film, den Kerouac voller Sympathie in Unterwegs zitiert, sowie Judy Garland und Fred Astaires Tanznummer «A Couple of Swells» in Osterspaziergang (1948). In «Das Verschwinden des amerikanischen Hobos», einem sturzbachartigen Klagelied gegen die in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg immer weiter um sich greifende Kontrollsucht staatlicher Stellen, das im März 1960 in der Zeitschrift Holiday veröffentlicht wurde, erweiterte Kerouac diese Gattung noch: Er benannte Christus und Buddha als Köpfe einer Tradition, zu der er außerdem Benjamin Franklin, den russischen Dichter Sergej Jessenin und Teddy Roosevelt zählte.
    Der «Gammler» hat im amerikanischen Alltagsleben schon immer ein gemischtes Ansehen genossen. Im Allgemeinen war er nicht gern gesehen, wurde aber auch in alten Balladen wie The Happy Hooligan idealisiert. Er war ein Symbol für die, wie Kerouac es nannte, sehr amerikanische «spezielle Vorstellung von der Freiheit des Zu-Fuß-unterwegs-Seins», für den Wanderer, der sich in bester Tradition amerikanischen Einfallsreichtums mehr oder weniger ehrlich durchs Leben schlug, ohne dabei kriminell zu werden. Jack London, dessen Reiseerzählung The Road (1907, deutsch Die Abenteuer des Schienenstrangs, 1924 ) von unschätzbarer Wichtigkeit für Kerouac war, meinte, dass erst seine frühen Lebensjahre als bettelnder Hobo aus ihm einen Autor gemacht hätten – war er doch gezwungen, jedes Mal eine neue Geschichte zu improvisieren, «je nachdem welchen Gesichtsausdruck die Person hatte, die die Tür öffnete». Zu manchen Zeiten, und ganz besonders während der Jahre der Weltwirtschaftskrise, wirkte der Hobo wie eine Mahnung, dass in einem auf Profite getrimmten System, die nur den Mächtigen zugutekamen, ein jeder zwischen die Stühle rutschen konnte. Im Jahr 1935 rief Franklin D. Roosevelt ein Regierungsprogramm ins Leben, das «Herumreisende» unterstützen sollte, deren Armut jetzt nicht mehr als persönliches Versagen oder freiwillig gewähltes Schicksal angesehen wurde. Aber nachdem der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Wirtschaft wieder auf Touren gebracht hatte, schwang das Pendel in die andere Richtung zurück. New York griff hart gegen die Betrunkenen auf öffentlichen Plätzen durch; landesweit wurden die Armeleuteviertel, in denen Kerouac bei seinen Touren von Küste zu Küste häufig Unterkunft und Freunde gefunden hatte, als «Schandflecken» bezeichnet, die reif für eine «städtebauliche Erneuerung» waren. In San Francisco wurden Kerouac und seine Freunde 1956 nur deshalb von Cops kontrolliert, weil sie noch spätabends auf den Straßen unterwegs waren oder tagsüber an Straßenecken herumstanden und redeten. Systematische Razzien wurden in North Beach, dem Bohemeviertel der Stadt, zu einer regelrechten Plage. Neal Cassady wurde 1958 von zwei Undercoveragenten verhaftet, denen er einen Joint verkaufen wollte, und wegen Drogenhandels zu zehn Jahren in San

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