Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
Vom Netzwerk:
und «allerlei rasende, gedankenlose Dramen» – letzten Endes die Welt, der sich seine «spontane Prosa» verdankt. Während seiner Wanderungen ist Ray dann am glücklichsten, wenn er den Eindruck hat, er würde diese Wildnis schon kennen, das Gefühl, «irgendetwas Unbeschreibliches brach in meinem Herzen auf, als wäre ich in einem früheren Leben diesen Pfad schon einmal entlanggegangen». Um zu seinen tiefsten Imaginationen vorzustoßen, brauchte Kerouac eine Art doppelter Erinnerung an Orte, die die Natur per se nicht bieten kann – er brauchte auch nicht die Erinnerungen anderer, sondern seine eigenen , selbst wenn sie aus einem anderen Leben stammen. Für Kerouac können Ideen keine Landschaften ausdeuten, so wie manchmal für Snyder. Kerouac hätte nie wie Snyder schreiben können: «Das stärkste/revolutionäre Bewusstsein findet sich/bei den am skrupellosesten ausgebeuteten Klassen:/Tieren, Bäumen, Wasser, Luft, Gräser.» Kerouacs Welt wird ausschließlich von Menschen bewohnt oder von Geistern.
    Kerouacs intensive buddhistische Phase war Ende der fünfziger Jahre schon wieder vorbei, aber zu keiner Zeit hatte er den Eindruck aufkommen lassen, als wäre Christus des zentralen Platzes in seinem Herzen verlustig gegangen. In einem Interview, das er in seinem letzten Lebensjahr The Paris Review gab, konterte er ärgerlich auf die Frage, warum er denn über Buddha und nicht Christus geschrieben hätte: «Bei allem, was ich schreibe, geht es um Jesus!» Für Kerouac bestand kein wirklicher Unterschied zwischen diesen beiden Religionsstiftern: Die Geschichte von Siddhartha, dem späteren Buddha (die Kerouac in Gammler, Zen und hohe Berge nacherzählt), der in Indien im fünften Jahrhundert vor Christus geboren wurde und freiwillig den durch die Geburt erworbenen Reichtum und alle Privilegien hinter sich lässt, um das asketische Leben eines Wandermönchs zu führen, und schließlich die «Vier Edlen Wahrheiten» entdeckt, die den Kern des Buddhismus bilden, entsprach der Haltung von Christus, der seiner Göttlichkeit entsagte und ein Menschenwesen wurde. Aber im Gegensatz zum Christentum bot der Buddhismus Kerouac eine buchstäbliche Selbstlosigkeit, eine Art vollkommener Anonymität. Der Buddhismus hob, in Alan Watts Worten, jene «Gutes-Selbst-Schlechtes-Ich»-Dichotomie auf, die sich endemisch durch das westliche Denken zieht. Wenn es wirklich nur «die Leere» war, in die hinein die Menschen ihre Illusionen projizierten, dann waren alle Etikettierungen bedeutungslos, dann war alles möglich. «Was für ein Horror, wenn die Welt wirklich real wäre», überlegt Ray in einer der eindringlichsten Passagen des Buches, «denn wenn die Welt real wäre, dann wäre sie unvergänglich.»
    Der immer nüchterne William Burroughs schalt 1954 Kerouac für seinen neuen Glauben: Der Buddhismus, sagte er, könne im Westen nichts anderes als Teil der «Geschichte [sein] … ein Studienobjekt» und die «kalifornischen Buddhisten» würden «immer versuchen, nur Zuschauer zu sein». Aber genau das wollte Kerouac sein, ein Zuschauer. Denn anders als die Glaubensbekenntnisse und Ideologien des Westens, und eigentlich auch Russlands, war der Buddhismus für die wahnsinnigen Gräueltaten der Menschheitsgeschichte, so wie Kerouac sie in Desolation Angels in einer albtraumartigen Aufzählung benennt, nicht verantwortlich: nicht für die Guillotine und den Scheiterhaufen, nicht für Konzentrationslager, Gaskammern und Stacheldraht, und auch nicht für die Zerstörungen eines Dschingis Khan oder Tamerlan. Auch wenn kein Abendländer, und sicher nicht Kerouac, den Buddhismus vollständig verstehen konnte, so konnte er dem Abendland – in Kerouacs Worten – doch als «Form der Häresie» dienen, «sanft» und «närrisch», aber dennoch als Häresie. Kerouacs politische Ansichten wurden, soweit er sie äußerte, zunehmend reaktionärer, aber er fürchtete die «Amerika-Enthusiasten» nicht weniger als die «Amerika-Hasser». Zu einer Zeit, als den Amerikanern regelmäßig gesagt wurde, dass sie nur die Wahl hätten zwischen dem Kommunismus sowjetischer Prägung oder der kapitalistischen Demokratie Amerikas und allem, was damit einherging, eröffnete sich mit dem Buddhismus ein dritter Weg. In Gammler, Zen und hohe Berge äußert sich Henry Morley auf die ihm eigene, unerschütterlich unlogische Art über den Buddhismus: «Diese ganze Glaubenssache daran interessiert mich nicht.» «Ich bin unparteiisch», sagt er, und Japhy

Weitere Kostenlose Bücher