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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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iss meine Sternkarte rauszuholen und mal nachzusehen was heute Abend so anliegt. Diese Hundsmeute da oben ist größer als all meine Lieblingssurangamysutras zusammen Mensch.»
    Und er holt seine Sternkarte heraus und dreht sie ein bisschen hin und her und justiert sie und sieht nach und sagte: «Es ist jetzt genau acht Uhr achtundvierzig p. m.»
    «Woher weißt du das?»
    «Wenn es nicht acht Uhr achtundvierzig p. m. wäre, würde der Sirius nicht da stehen, wo er steht … Weißt du, was ich an dir so gern leiden mag, Ray? Du hast in mir den Sinn für die wahre Sprache des Landes wachgerüttelt, und diese Sprache ist die Sprache von arbeitenden Menschen, von Eisenbahnarbeitern, von Holzfällern. Hast du mal zugehört, wie diese Typen reden?»
    «Na klar hab ich. Hab mal einen Lastwagenfahrer kennengelernt, der fuhr für eine Ölbohrplattform und sammelte mich eines Tages um Mitternacht in Houston in Texas auf, nachdem mich so eine kleine Schwuchtel, der ein paar Motels gehörten die ausgerechnet und höchst zutreffend ‹Dandy Courts› hießen, mein Lieber, mich abgesetzt und gesagt hatte, wenn du nicht weiterkommst dann kannst du bei mir auf dem Fußboden schlafen, also wartete ich eine Stunde lang auf dieser leeren Straße und dann kommt dieser Laster den ein Cherokee fährt, das sagte er jedenfalls, doch sein Name war Johnson oder Ally Reynolds oder so was Verdammtes und er fing gleich zu erzählen an und sagte Sachen wie ‹Junge, Junge, als ich von zu Hause weg bin hast du noch nicht mal gewusst, wie man sich den Arsch abwischt und zog Richtung Westen und brauste durch die Ölfelder von Ost-Texas, bis ich fast verrückt wurde›, und in diesem rhythmischen Singsang erzählte er mir alles Mögliche und schlug dabei im Takt auf die Kupplung und die Gangschaltung und holte aus der Karre raus, was rauszuholen war, und brauste mit einem Affenzahn über die Landstraße, der pure Schwung riss seine Geschichte mit, das war großartig, das nenne ich Poesie.»
    «Das ist genau das, was ich meine. Du musst mal zuhören, wenn der alte Burnie Byers so spricht, wie die Leute auf dem Lande oben in Skagit sprechen. Ray, du musst einfach mal da hinfahren.»
    «Okay, mach ich.»
    Wie Japhy da auf den Knien lag und seine Sternkarte studierte, wie er sich leicht nach vorn überbeugte, um durch die überhängenden Äste der verkrüppelten alten Bergbäume gucken zu können, hinter sich den riesigen graugesichtigen Felsen, da sah er mit seinem Ziegenbart und allem genauso aus wie die alten Meister des chinesischen Zen, wie sie mir einmal draußen in der Einsamkeit der Natur in einer Vision erschienen sind. Er lehnte sich auf seinen Knien nach vorn und blickte nach oben, als ob er eine heilige Schriftrolle in den Händen hielte. Kurz darauf ging er zu den Schneebänken und brachte den Schokoladenpudding mit, der nun eiskalt und über die Maßen delikat war. Wir aßen ihn ganz auf.
    «Sollten wir nicht etwas für Morley dalassen?»
    «Ach was, der hält sich doch nicht, schmilzt in der Morgensonne.»
    Als das Feuer in sich zusammenfiel und nur noch rotglühende Holzscheite nachgeblieben waren, wurde die kristallene Kälte der Nacht immer deutlicher spürbar. Doch durch den Duft der rauchenden Klötze war all das so bekömmlich wie Schokoladenpudding. Ich ging noch eine Zeitlang allein spazieren und setzte mich meditierend am Ufer des flachen, vereisten Bergbaches auf einen schmutzigen Baumstamm, und die riesigen Bergwände zu beiden Seiten unseres Tales waren eine schweigende Masse. Länger als eine Minute konnte man da nicht sitzen. Es war zu kalt. Als ich zurückkam, warf unser orangefarbenes Feuer seinen Schein gegen den großen Felsen, und Japhy lag noch auf den Knien und blickte zum Himmel auf, und all das – gut dreitausend Meter oberhalb der zähneklappernden Welt – war ein Bild des Friedens und des guten Willens. Eine weitere erstaunliche Eigenschaft Japhys war auch sein überragender Sinn für Nächstenliebe. Er war unendlich zartfühlend und aufmerksam. Er verschenkte dauernd irgendwas und übte so das aus, was die Buddhisten die ‹Vollendung der Nächstenliebe› nennen.
    Als ich nun zurückkam und mich neben das Feuer setzte, sagte er: «Hör mal zu, Smith, es wird allmählich Zeit, dass du eine Gebetsschnur mit richtigen Jaju-Perlen besitzt. Du kannst diese haben.» Und er gab mir die braunen Holzperlen, die auf einen starken, schwarz schimmernden Bindfaden aufgezogen waren.
    «Aber du kannst mir doch so etwas

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