Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
und nach Jahrzehnten endlich Raleigh, wo ich in meinen Regionalbus umstieg und den Fahrer anwies, mich bei dem Landweg rauszulassen, der sich fünf Kilometer durch die Kiefernwälder bis zum Haus meiner Mutter in Big Easonburg Woods hinzog; das ist eine Landstraßenkreuzung außerhalb von Rocky Mount.
Er ließ mich raus, gegen acht Uhr abends, und ich ging die fünf Kilometer auf stillem, frostigem Carolina-Mondweg zu Fuß, wobei ich ein Düsenflugzeug über mir beobachtete, dessen Schweif quer über das Gesicht des Mondes trieb und den Schneekreis halbierte. Es war herrlich, zur Weihnachtszeit wieder im Osten im Schnee zu sein, die kleinen Lichter hier und da in den Fenstern der Bauernhäuser, die stillen Wälder, der dürre Nadelwaldboden so nackt und öde, die Eisenbahnlinie, die sich in die graublauen Wälder verlief, meinem Traum entgegen.
Um neun Uhr stampfte ich mit vollem Gepäck durch den Garten meiner Mutter, und da stand sie an dem weißgekachelten Spülbecken in der Küche, machte ihren Abwasch, wartete auf mich mit verzagter Miene (ich hatte mich verspätet), machte sich Sorgen, ob ich es überhaupt jemals schaffen würde, und dachte wahrscheinlich: Armer Raymond, warum muss er immer trampen und mich in Todesängste stürzen, warum ist er nicht wie all die anderen?› Und ich dachte an Japhy, wie ich in dem kalten Hof da stand und sie ansah: ‹Warum ist er bloß so sauer auf weißgekachelte Spülbecken und Küchenausstattung, wie er das nennt? Die meisten Leute haben ein gutes Herz, ob sie wie Dharma Gammler leben oder nicht. Mitgefühl ist das Herz des Buddhismus.› Hinter dem Haus war ein großer Kiefernwald; da sollte ich den ganzen Winter und Frühling unter den Bäumen meditieren und ganz allein versuchen, die Wahrheit aller Dinge herauszufinden. Ich war sehr glücklich. Ich ging um das Haus herum und sah mir den Weihnachtsbaum im Fenster an. Hundert Meter weiter auf dem Weg waren die beiden Dorfläden, ein helles, warmes Bild in der sonst öden, waldigen Leere. Ich ging zur Hundehütte und fand den alten Bob, wie er in der Kälte zitterte und grunzte. Er winselte vor Freude, mich zu sehen. Ich machte ihn los, und er heulte und sprang umher und kam mit mir ins Haus, wo ich meine Mutter in der warmen Küche umarmte, und meine Schwester und mein Schwager kamen aus dem Wohnzimmer und begrüßten mich, und mein kleiner Neffe Lou auch, und ich war wieder zu Hause.
19. Kapitel
Sie wollten alle, dass ich auf der Couch im Wohnzimmer am gemütlichen Ölofen schlief, aber ich bestand darauf, mich (wie zuvor) in der hinteren Veranda einzurichten mit ihren sechs Fenstern, die auf das winterliche, öde Baumwollfeld und die dahinterliegenden Kiefernwälder hinausgingen, wo ich alle Fenster offen ließ und meinen guten, alten Schlafsack auf der Couch ausstreckte, um den reinen Schlaf der Winternächte zu schlafen, mit dem Kopf tief in der weichen Wärme von Nylon und Daunen. Nachdem sie zu Bett gegangen waren, zog ich meine Jacke an und meine Mütze mit den Ohrenwärmern und Eisenbahnerhandschuhe und über das Ganze meinen Nylonumhang und schritt hinaus in das Mondlicht des Baumwollfeldes wie ein verhüllter Mönch. Der Boden war bedeckt mit mondbeschienenem Reif. Die Straße weiter runter glitzerte der alte Friedhof im Frost. Die Dächer von Bauernhäusern in der Nähe waren wie weiße Schneetafeln. Ich ging durch die Furchen des Baumwollfeldes, gefolgt von Bob, einem großen Hühnerhund, und dem kleinen Sandy, der den Joyners weiter unten gehörte, und ein paar anderen streunenden Hunden (alle Hunde haben mich gern), und kam zum Waldrand. Im Wald drinnen hatte ich im vorigen Jahr einen kleinen Pfad ausgetreten, der zu einem kleinen Bäumchen führte, unter dem ich immer besonders gern meditierte. Der Pfad war noch da. Mein offizieller Eingang zum Wald war noch da, das heißt zwei gleichmäßig auseinanderstehende junge Kiefern, die eine Art Torpfosten darstellten. Ich verbeugte mich dort immer und faltete die Hände und dankte Avalokitesvara für den Wald. Dann ging ich hinein, führte den mondweißen Bob direkt zu meinem Tannenbäumchen, wo mein altes Strohlager noch am Fuße des Baumes war. Ich rückte mir Umhang und Beine zurecht und meditierte im Sitzen.
Die Hunde meditierten auf ihren Pfoten. Wir waren alle absolut still. Die gesamte mondbeschienene Landschaft war frostig, still, nicht einmal das leise Hoppeln von Kaninchen oder Waschbären. Absolute, kalte, gesegnete Stille. Vielleicht, dass fünf
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