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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Meilen entfernt bei Sandy Cross ein Hund bellte. Nur ganz entfernt und leise das Geräusch von großen Lastwagen, die in der Nacht auf der 301 entlangrollten, und natürlich gelegentlich das ferne Diesel-Schnaufen der Personen- und Güterzüge der Atlantic Coast Line, die nach Norden und Süden, nach New York und Florida fuhren. Eine gesegnete Nacht. Ich verfiel sofort in eine leere, gedankenlose Trance, in der mir wieder offenbart wurde «Dies Denken hat aufgehört», und ich seufzte, weil ich nicht mehr zu denken brauchte, und ich fühlte, wie mein ganzer Körper in eine unglaubliche Seligkeit versank, völlig entspannt und in Frieden mit der ganzen flüchtigen Welt des Traums und des Träumers und des Träumens selbst. Dazu alle möglichen Gedanken, wie ‹Ein Mensch, der in der Wildnis Freundlichkeit übt, ist alle Tempel wert, die diese Welt errichtet und niederreißt›, und ich streckte meine Hand aus und streichelte den alten Bob, der mich zufrieden ansah. ‹Alle lebenden und sterbenden Dinge wie diese Hunde und ich, die kommen und gehen ohne jede Dauer oder eigene Substanz, o Gott, und deshalb können wir unmöglich existieren. Wie seltsam, wie würdig, wie gut für uns! Was für ein Gräuel wäre es gewesen, wenn die Welt wirklich wäre, denn wenn die Welt wirklich wäre, wäre sie unsterblich.› Mein Nylonumhang schützte mich vor der Kälte, wie ein Zelt nach Maß, und ich blieb lange Zeit mit gekreuzten Beinen im winterlichen, mitternächtlichen Wald sitzen, etwa eine Stunde. Dann ging ich zum Haus zurück, wärmte mich am Feuer im Wohnzimmer auf, während die anderen schliefen, schlüpfte dann in meinen Schlafsack auf der Veranda und schlief ein.
    Am folgenden Tag war Heiligabend, den ich mit einer Flasche Wein vorm Fernsehapparat verbrachte und mich an den Shows freute und an der Mitternachtsmesse aus Saint Patrick’s Cathedral in New York, wo Bischöfe ministrierten und die Glaubenslehre funkelte, und Kongregationen waren versammelt, die Priester in ihren spitzenbesetzten, schneeweißen Messgewändern vor großen Hauptaltären, die mir nicht halb so groß vorkamen wie meine Strohmatte unter einem kleinen Tannenbaum. Dann um Mitternacht die atemlosen kleinen Eltern, meine Schwester und mein Schwager, die die Geschenke unter dem Baum aufbauten und glorreicher als alle «Gloria in Excelsis Deo» der Römischen Kirche und all ihrer anwesenden Bischöfe. ‹Denn schließlich›, dachte ich, ‹war Augustin ein Schwarzer und Franziskus mein schwachsinniger Bruder.›
    Plötzlich beglückte mich mein Kater Davey, lieber Kater, und sprang auf meinen Schoß. Ich holte die Bibel heraus und las ein bisschen in den Paulusbriefen am warmen Ofen und beim Licht des Baums: «Niemand betrüge sich selbst; welcher sich unter euch dünkt, weise zu sein, der werde ein Narr in dieser Welt, dass er möge weise sein.», und ich dachte an den guten, lieben Japhy und wünschte, er wäre da und könnte mit mir zusammen den Heiligabend genießen. Und Paulus sagte weiter «Aber ihr seid ja so satt und selbstzufrieden. Ihr haltet euch für so reich, dass ihr anscheinend nichts mehr braucht. … Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?» Und dann in einem Ausbruch wunderschöner Poesie, schöner als alle Dichterlesungen der San Francisco Renaissance dieser Tage: «Die Speisen sind für den Bauch und der Bauch für die Speisen; Gott aber wird sowohl diesen als jene zunichtemachen.»
    In dieser Woche war ich ganz allein im Haus, meine Mutter musste zu einer Beerdigung nach New York, und die anderen arbeiteten. Jeden Nachmittag ging ich mit meinen Hunden in den Wald, las, studierte, meditierte in der warmen südlichen Wintersonne und kam zurück und machte für alle Abendbrot, wenn es dämmerte. Außerdem hing ich einen Korb auf und übte jeden Abend bei Sonnenuntergang Basketball. Nachts, wenn sie zu Bett gegangen waren, ging ich zum Wald zurück bei klarem Sternhimmel oder auch manchmal bei Regen, mit meinem Umhang. Der Wald hieß mich herzlich willkommen. Ich amüsierte mich damit, kleine Gedichte wie Emily Dickinson zu schreiben, mit viel Wortspielen und ulkigen Reimen.
    «Lass Zufriedenheit sein und Seligkeit immerdar», betete ich nachts im Wald. Ich machte immer neue und immer bessere Gebete. Und mehr Gedichte, etwa als der Schnee kam:
    «Nicht oft kommt heiliger Schnee geflogen, so sacht, im heiligen Bogen», und einmal schrieb ich «Vier Unvermeidliche Dinge 1. Muffige Bücher, 2. Uninteressante

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