Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
den Dorfladen ging, um Brot und Milch einzukaufen, sagten die Alten, die da zwischen Bambusstangen und Sirupfässern rumsaßen: «Was machst du im Wald?»
«Ach, ich gehe da bloß hin zum Studieren.»
«Bist du nicht ein bisschen alt für einen Collegestudenten?»
«Na, manchmal geh ich bloß hin und schlafe einfach.»
Aber ich beobachtete sie, wie sie sich den ganzen Tag auf den Feldern rumtrieben und was zu tun suchten, damit ihre Frauen denken sollten, sie wären richtige fleißige, schwerbeschäftigte Männer, und sie konnten mir gar nichts vormachen. Ich wusste, heimlich wollten sie auch in den Wald gehen und da schlafen oder bloß im Wald sitzen und nichts tun, wie ich es tat, ohne mich zu schämen. Ihretwegen habe ich mir nie den Kopf zerbrochen. Wie konnte ich ihnen sagen, dass mein Wissen das Wissen war, dass die Substanz meiner Knochen und ihrer Knochen und der Knochen toter Menschen in der Erde nachts im Regen die allen Individuen gemeinsame Substanz ist, die auf ewig friedlich und selig ist? Es ist auch ganz egal, ob sie es glaubten oder nicht. Eines Nachts saß ich mit meinem Regenumhang in einem wahren Wolkenbruch, und ich hatte ein kleines Lied, das den prasselnden Regen auf meiner Kapuze begleitete: «Regentropfen sind Ekstase, Regentropfen sind nichts anderes als Ekstase, noch ist Ekstase etwas anderes als Regentropfen, ja, Ekstase ist Regentropfen, regne weiter, o Wolke!» Was machte es mir also aus, wenn die tabakkauenden alten Knarzköppe in dem Laden an der Kreuzung meine vergängliche Verschrobenheit für überspannt hielten, wir werden sowieso alle zu Staub im Grab. Ich betrank mich sogar einmal ein bisschen mit einem der alten Männer, und wir fuhren auf den Landwegen herum, und ich erzählte ihm auch, wie ich draußen im Wald saß und meditierte, und er begriff auch ungefähr und sagte, er wollte das gern mal versuchen, wenn er Zeit hätte oder wenn er sich aufraffen könnte, und er hatte ein wenig Reue, Trauer und Neid in der Stimme. Alle wissen alles.
21. Kapitel
Der Frühling kam nach schweren Regenfällen, die alles überschwemmten, braune Pfützen waren überall auf feuchten, dürren Feldern. Starke, warme Winde trieben schneeweiße Wolken über die Sonne und durch die trockene Luft. Goldene Tage mit prachtvollem Mond in der Nacht, warm, ein kühn gewordener Frosch, der ein Quaklied um elf Uhr vormittags im ‹Buddha Creek› anstimmte, wo ich unter einem gewundenen Zwillingsbaum in der Nähe einer kleinen Lichtung in den Tannen an einem trockenen Flecken Gras und bei einem winzigen Bach mein neues Sitzlager aus Stroh aufgeschlagen hatte. Dort kam eines Tages mein kleiner Neffe Lou mit mir hin, und ich nahm einen Gegenstand vom Boden und hob ihn schweigend auf, wie ich unter dem Baum saß, und der kleine Lou sah mich an und fragte: «Was ist das?», und ich sagte: «Das», und machte eine gleitende Bewegung mit der Hand, wobei ich mich bedeutungsvoll räusperte und wiederholte: «Das … das ist das », und erst als ich ihm sagte, es sei ein Tannenzapfen, bildete er den imaginären Begriff des Wortes «Tannenzapfen», denn in der Tat, wie es in der Sutra heißt: «Leere ist Unterscheidung», und er sagte: «Mein Kopf sprang raus, und mein Gehirn krümmte sich, und dann fingen meine Augen an, wie Gurken auszusehen, und eine Kuhzunge fuhr mir übers Haar, und die Kuhzunge leckte mich am Kinn.»
Dann sagte er: «Ich könnte mir jetzt eigentlich ein Gedicht ausdenken.» Er wollte den Augenblick für die Erinnerung festhalten.
«Okay, aber denk es dir sofort aus, so aus dem Stegreif.»
«Okay … ‹Die Kiefern wogen, der Wind versucht, etwas zu flüstern, die Vögel sagen drit-drit-drit, und die Habichte machen hark-hark-hark –› Oho, Gefahr ist im Verzug.»
«Warum?»
«Habicht – hark hark hark!»
«Und dann?»
«Hark! Hark! – Nichts.» Ich schmauchte schweigend meine Pfeife, Frieden und Ruhe im Herzen.
Ich nannte meinen neuen Hain ‹Zwillingsbaumhain›, wegen der beiden Baumstämme, gegen die ich mich lehnte, die sich umeinander wanden, weiße Fichten, die weiß in der Nacht leuchteten und mir aus mehreren hundert Metern Entfernung zeigten, wohin ich ging, obwohl der alte Bob mich weißglänzend den dunklen Pfad entlangführte. Auf diesem Pfad verlor ich eines Nachts meine Gebetsperlen, die Japhy mir gegeben hatte, aber am nächsten Tag fand ich sie mitten auf dem Pfad und dachte mir: ‹Das Dharma kann nicht verloren gehen, nichts kann verloren gehen auf einem
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