Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
Japan wiederkomme, hab ich wahrscheinlich sowieso die Nase voll. Vielleicht werde ich reich und arbeite und verdiene einen Haufen Geld und wohne in einem großen Haus.» Aber eine Minute später: «Aber wer will sich denn schon an all so was fesseln. Ich weiß nicht, Smith, ich bin einfach deprimiert, und alles, was du sagst, deprimiert mich bloß noch mehr. Meine Schwester ist wiederaufgetaucht, weißt du.»
«Wer ist das?»
«Das ist Rhoda, meine Schwester, ich bin mit ihr in den Wäldern in Oregon aufgewachsen. Sie will so einen reichen Typ aus Chicago heiraten, einen richtigen Spießer. Mein Vater hat auch Ärger mit seiner Schwester, meiner Tante Noss. Sie ist ’ne zurückgebliebene alte Ziege.»
«Du hättest deinen Kinnbart nicht abrasieren sollen, du sahst immer aus wie ein lustiger kleiner Weiser.»
«Lustiger kleiner Weiser bin ich nicht mehr, und ich bin müde.» Er war von der Arbeit eines langen, harten Tages erschöpft. Wir beschlossen, schlafen zu gehen und nicht mehr dran zu denken. Offengestanden waren wir ein bisschen traurig und sauer aufeinander. Während des Tages hatte ich bei einem wilden Rosenstrauch im Hof eine Stelle entdeckt, wo ich vorhatte, meinen Schlafsack auszulegen. Ich hatte sie einen Fuß hoch mit frischgepflücktem Gras bedeckt. Jetzt, mit meiner Taschenlampe und meiner Flasche mit kaltem Wasser aus dem Hahn über dem Ausguss, ging ich nach draußen und rollte mich zu einer herrlichen Nachtruhe unter den seufzenden Sternen ein, meditierte zuerst noch eine Weile. Ich konnte nicht mehr drinnen meditieren, wie Japhy es gerade getan hatte; nach dem ganzen Winter im nächtlichen Wald musste ich die kleinen Geräusche der Tiere und Vögel hören und die kalte, seufzende Erde unter mir fühlen, bevor es mir wirklich gelang, mit allen lebenden Dingen als leer und wach und bereits gerettet eine Verwandtschaft zu fühlen. Ich betete für Japhy: Es sah so aus, als veränderte er sich zum Schlechten. Gegen Morgen tröpfelte etwas Regen auf meinen Schlafsack, und ich legte meinen Umhang über anstatt unter mich, fluchte und schlief weiter. Um sieben Uhr am Morgen war die Sonne aufgegangen, und die Schmetterlinge waren in den Rosen neben meinem Kopf, und ein Kolibri raste per Sturzflug genau auf mich zu, pfiff und schoss fröhlich fort. Aber ich hatte mich geirrt, als ich annahm, dass Japhy sich verändert hatte. Es war der großartigste Morgen unseres Lebens. Da stand er im Türrahmen der Hütte mit einer großen Bratpfanne in der Hand, schlug darauf rum und sang: «Buddham saranam gocchami … Dhammam saranam gocchami … Sangham saranam gocchami», und rief: «Los, Junge, deine Pfannkuchen sind fertig! Hol sie dir ab! Bäng, bäng, bäng!», und die orangenfarbenen Sonnenstrahlen brachen durch die Kiefern, und alles war wieder gut, tatsächlich war Japhy in der Nacht in sich gegangen und hatte festgestellt, dass ich recht hatte: Man muss sich dem guten, alten Dharma ohne Rücksicht auf Verluste anvertrauen.
25. Kapitel
Japhy hatte ein paar gute Buchweizenpfannkuchen gebacken, und wir aßen Log Cabin-Sirup und ein bisschen Butter dazu. Ich fragte ihn, was der «Gocchami»-Gesang bedeutete. «Das ist der Gesang, den sie bei den drei Mahlzeiten in den Buddhistenklöstern in Japan anstimmen. Er bedeutet: Buddham Saranam Gocchami, ich nehme Zuflucht im Buddha, Sangham, ich nehme Zuflucht in der Kirche, Dhammam, ich nehme Zuflucht im Dharma, in der Wahrheit. Morgen früh mach ich dir wieder ein schönes Frühstück, Slumgullion, hast du schon mal gutes, altmodisches Slumgullion gegessen, Junge? Das ist nichts weiter als Rühreier und Kartoffeln, alles zusammengerührt.»
«Ist das ein Lumberjack-Essen?»
«Lumberjack, so was gibt es gar nicht, das muss ein Ausdruck aus dem Osten sein. Hier nennen wir so was Logger. Los, iss deine Pfannkuchen auf, und wir gehen runter und machen Kleinholz, und ich zeige dir, wie man mit einer zweischneidigen Axt umgeht.» Er holte die Axt raus und schliff sie und zeigte mir, wie man sie schleift. «Und nimm diese Axt nie, wenn du ein Stück Holz hast, das am Boden liegt, du triffst Steine und machst sie stumpf, du musst immer einen Klotz oder irgendwas als Haublock haben.»
Ich ging raus auf die Toilette, und da ich Japhy mit einem Zen-Trick überraschen wollte, warf ich beim Zurückkommen die Rolle Toilettenpapier durch das offene Fenster, und er stieß ein lautes Samurai-Kriegsgebrüll aus und erschien in kurzen Hosen und Stiefeln auf dem Fensterbrett
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