Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)
amüsierten und bloß ich mich in meinem Schlafsack in den Rosensträuchern zusammenrollte und seufzte und Bah sagte. Für mich gab es nur einen Schluck Rotwein und einen Haufen Feuerholz.
Aber dann konnte es passieren, dass ich eine tote Krähe im Naturpark fand und dachte: ‹Das ist ein schöner Anblick für empfindsame Menschenaugen, und das kommt alles vom Sex.› Also schlug ich mir Sex wieder aus dem Sinn. Solange die Sonne schien, dann schimmernd versank und wieder schien, war ich zufrieden. Ich nahm mir vor, freundlich zu sein und in der Einsamkeit zu bleiben, mich nicht rumzutreiben, mich auszuruhen und freundlich zu sein. «Mitleid ist der Wegweiser», sagte Buddha. «Streite dich nicht mit der Obrigkeit oder mit Frauen. Bettle! Sei demütig.» Ich hielt mich wirklich für eine Art verrückten Heiligen; aus dem einfachen Grund, weil ich mir sagte: «Ray, meide den Alkohol und die Frauen und das Gerede! Bleib in deiner Hütte und freue dich am natürlichen Wechselspiel der Dinge, wie sie sind», aber es war schwer, danach zu leben, während alle möglichen hübschen Bräute jedes Wochenende und sogar an Wochentagen auf den Hügel kamen. Einmal willigte eine schöne Brünette schließlich ein, mit mir auf den Hügel zu kommen, und wir waren da im Dunkeln auf meiner Tagesmatratze, als plötzlich die Tür aufsprang und Sean und Joe Mahoney lachend hereintanzten, absichtlich versuchten, mich in Wut zu bringen … entweder das, oder sie glaubten wirklich an meine asketischen Bemühungen und waren wie Engel, die hereinkamen, um den Satan in Weibsgestalt fortzutreiben. Was ihnen auch ohne weiteres gelang. Manchmal, wenn ich richtig voll und besoffen war und im Schneidersitz mitten in den wilden Partys saß, erschienen mir wirklich Visionen von heiligem, unberührtem Schnee auf meinen Augenlidern, und wenn ich die Augen dann öffnete, sah ich all diese guten Freunde dasitzen und darauf warten, dass ich ihnen erklärte, was ich gesehen hatte, und nie fand jemand mein Benehmen seltsam, ganz natürlich unter Buddhisten. Während dieser ganzen Zeit hatte ich einen übermächtigen Drang, in Gesellschaft die Augen zu schließen. Ich glaube, die Mädchen hatten schreckliche Angst deswegen. «Warum sitzt er immer da und hat die Augen zu?»
Die kleine Prajna, Seans zweijährige Tochter, kam dann, legte ihre kleinen Finger auf meine geschlossenen Augenlider, pikste ein wenig und sagte: «Mum mum mum kiek?!» Manchmal machte es mir mehr Spaß, mit ihr kleine magische Spaziergänge auf dem Hof zu machen, als im Wohnzimmer zu sitzen und zu quatschen.
Was Japhy betrifft, so war er ganz zufrieden mit allem, was ich tat, vorausgesetzt, ich machte keinen Mist, indem ich zum Beispiel die Petroleumlampe rauchen ließ, weil ich den Docht zu weit rausdrehte, oder es unterließ, die Axt ordentlich zu schleifen. Er war in solchen Dingen sehr streng. «Du musst das lernen!», sagte er. «Verdammt, alles kann ich vertragen, bloß nicht, wenn etwas nicht richtig gemacht wird.» Es war verblüffend, was für Abendessen er aus seinem eigenen Teil des Speiseregals hervorzaubern konnte, alle möglichen in Chinatown gekauften Kräuter und trockenen Wurzeln, er kochte sich was zusammen, nur ein bisschen, mit Soyasauce, und das kam dann über frischgekochten Reis und schmeckte wirklich wunderbar, wenn wir es mit Stäbchen aßen. Da saßen wir beim Rauschen der Bäume in der Dämmerung, die Fenster noch weit offen, kalt, aber kauten, mampf, mampf, köstliche selbstgemachte chinesische Gerichte. Japhy wusste wirklich mit Essstäbchen umzugehen und haute energisch rein. Dann wusch ich manchmal ab und ging raus, um eine Weile auf meiner Matte unter den Eukalyptusbäumen zu meditieren, und im Fenster der Hütte sah ich den braunen Schein von Japhys Petroleumlampe, wie er dasaß, las und in seinen Zähnen herumstocherte. Manchmal kam er zur Tür der Hütte und rief «Huh!», und ich gab keine Antwort, und ich konnte hören, wie er vor sich hin murmelte: «Wo zum Teufel ist er?», und ich sah, wie er in die Nacht hinausspähte und nach seinem Bhikku Ausschau hielt.
Eines Nachts saß ich und meditierte, als ich rechts von mir ein lautes Knacken hörte, und ich guckte hin, und es war ein Reh, das kam, um den alten Wildpark wieder zu besuchen und eine Weile im trockenen Laub zu äsen. Durch das abendliche Tal rief das alte Maultier mit gebrochenem Herzen sein «I-ah», gebrochen wie ein Jodelruf im Wind: wie eine Posaune, geblasen von einem furchtbar
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