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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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traurigen Engel: wie eine Ermahnung an all die Leute, die zu Hause ihr Abendbrot verdauten, dass nicht alles so in Ordnung war, wie sie dachten. Und doch war es nur ein Liebesruf an ein anderes Maultier. Aber gerade darum …
    Eines Abends meditierte ich in so vollkommener Ruhe, dass zwei Moskitos kamen und sich auf je einen meiner Backenknochen setzten und dort lange Zeit blieben, ohne zu stechen, und dann wegflogen, ohne zu stechen.

27. Kapitel
    Ein paar Tage vor seiner großen Abschiedsparty hatten Japhy und ich Streit. Wir gingen nach San Francisco hinein, um sein Fahrrad beim Frachter am Pier abzugeben, und gingen dann im Nieselregen zur Pennermeile hinauf, um uns in der Friseurschule billig die Haare schneiden zu lassen und Heilsarmee- und Goodwill-Läden auf der Suche nach langer Unterwäsche und anderem Zeug durchzustöbern. Als wir durch die regnerischen, aufregenden Straßen wanderten («Erinnert mich an Seattle!», rief er aus), spürte ich plötzlich den überwältigenden Drang, mich zu betrinken. Ich wollte mich wohlfühlen. Ich kaufte eine kleine Flasche rubinroten Portwein und entkorkte sie und zog Japhy in eine Seitenstraße, und wir tranken. «Trink lieber nicht so viel», sagte er, «du weißt, wir müssen noch nach Berkeley und eine Vorlesung mit anschließender Diskussion im Buddhisten-Club besuchen.»
    «Ach was, ich hab keine Lust zu so was, ich will in Seitenstraßen saufen.»
    «Aber sie erwarten dich, ich habe dort letztes Jahr alle deine Gedichte vorgelesen.»
    «Ist mir egal. Sieh dir den Nebel an, der über die Straße treibt, und sieh dir diesen warmen, rubinroten Portwein an, kriegst du da nicht Lust, im Wind zu singen?»
    «Nein, nicht die Spur! Weißt du, Ray, Cacoethes sagt, du trinkst zu viel.»
    «Der auch gerade mit seinem Geschwür! Warum, glaubst du, hat er ein Geschwür? Weil er selber zu viel getrunken hat. Hab ich ein Geschwür? Nicht das kleinste! Ich trinke aus Freude! Wenn es dir nicht gefällt, dass ich trinke, kannst du ja allein zu der Vorlesung gehen. Ich warte in Coughlins Hütte.»
    «Aber du lässt dir das alles entgehen, bloß weil du mal wieder Wein saufen willst.»
    «Im Wein liegt Weisheit, verdammt nochmal!», rief ich. «Trink einen Schluck!»
    «Nein!»
    «Dann trink ich ihn eben!» Und ich machte die Flasche leer, und wir gingen zur Sixth Street zurück, wo ich sofort wieder in denselben Laden rannte und mir nochmal dasselbe kaufte. Ich fühlte mich jetzt großartig.
    Japhy war traurig und enttäuscht. «Wie stellst du dir vor, jemals ein guter Bhikku oder sogar ein Bodhisattva Mahasattva zu werden, wenn du dich immer so besäufst?»
    «Hast du das letzte Bild von den Stieren vergessen, wo er sich mit den Schlachtern besäuft?»
    «Ach und wenn schon, wie kannst du zu innerer Klarheit gelangen, wenn dein Kopf völlig durcheinander ist und deine Zähne verfärbt sind und dir im Bauch schlecht ist?»
    «Mir ist nicht schlecht, mir geht’s gut. Ich könnte glatt in den grauen Nebel hinaufschweben und wie eine Möwe in San Francisco rumfliegen. Hab ich dir schon mal von der Pennermeile hier erzählt, ich hab hier mal gewohnt –»
    «Ich hab selber in Seattle in der Pennermeile gewohnt. Was man darüber wissen kann, das weiß ich alles.»
    Die Neonlichter der Läden und Bars glühten im grauen Düster des regnerischen Nachmittags. Ich fühlte mich großartig. Nach dem Haareschneiden gingen wir in einen Goodwill-Laden und angelten in Körben herum, zogen Socken und Unterhemden und verschiedene Gürtel und alles Mögliche raus und kauften den ganzen Kram für ein paar Cents. Ich nahm immer wieder heimlich einen Schluck Wein aus der Flasche, die ich mir in den Gürtel geklemmt hatte. Japhy war angewidert. Dann stiegen wir in die alte Klapperkarre und fuhren nach Berkeley, über die Brücke im Regen, zu den Hütten von Oakland und dann in die Innenstadt von Oakland, wo Japhy ein Paar Jeans finden wollte, die mir passten. Wir hatten den ganzen Tag nach gebrauchten Jeans gesucht, die mir passen würden. Ich bot ihm dauernd Wein an, und schließlich gab er ein bisschen nach und trank etwas und zeigte mir das Gedicht, das er geschrieben hatte, während ich mir in der Pennermeile die Haare schneiden ließ: «Moderne Friseurschule, Smith Augen zu lässt Haarschnitt über sich ergehen und fürchtet seine Hässlichkeit 50 Cents, ein Friseurlehrling mit olivenfarbiger Haut ‹Garcia› auf seinem Kittel; zwei blonde kleine Jungen einer mit ängstlichem Gesicht und

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