Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)
freue sie sich «über die Anwesenheit des jungen Mannes von der Presse». Die Regionalzeitung mache sich ja nur über sie lustig: «Sogenannte Heilerinnen» habe man sie dort genannt, das ärgere sie sehr. «Deswegen gehen Iris und ich jetzt in die Offensive und wollen der Gemeinde und der ganzen Welt zeigen, was wir können!»
Die Tagesordnung:
Punkt 1: «Was Dich krank macht»
Punkt 2: «Was Dich heilt»
Punkt 3: «Was wir anbieten»
Jetzt traut sich auch die Koreferentin, etwas zu sagen. Erst stockend, dann laut und burschikos, das überrascht. «Eigentlich sollte ich ein Junge werden», poltert Iris, und das habe sie krank gemacht. Stress mit den Eltern, kein Körpergefühl, kein Selbstbewusstsein, und auf der Arbeit in der Großküche habe man sie von morgens bis abends nur gemobbt. Das Ende vom Lied: Burn-out, ein Haufen chronischer Krankheiten und Ärzte, die nicht helfen konnten. «Dann habe ich gemerkt, dass ich mich selber heilen kann!», sagt Iris. «Erst mit Vitaminen, dann mit Synergetik. Ich habe in meinem Innern weißes Licht gesehen und damit mein Asthma und einmal auch meinen Hexenschuss kuriert!»
Frau Wolf-Zielinski macht ein zufriedenes Gesicht, dabei klingt ihre Leidensgeschichte ähnlich bitter. Sie sei immer so traurig gewesen, meint Erika. Ihre Kindheit war schwer. Um den Kummer zu verbergen, habe sie gelächelt und alberne Späße gemacht. «Ich war schon als kleiner Fratz ein richtiger Clown, ein todunglücklicher Spaßvogel.» Zwanzig Jahre arbeitete sie als manisch-depressive Metzgerin an der Wursttheke, zuletzt im Globus-Markt in Dudenhofen. Eine gelernte Fleischereifachverkäuferin voller Mitgefühl. «Ich habe immer gesagt: Wenn ich ein Tier esse, dann soll es wenigstens ein schönes Leben gehabt haben.» Doch nach einer Schulung bei Rewe konnte sie Leberwurst und Geflügelsülze aus moralisch-ethischen Gründen nicht mehr verkaufen. «Die bei Rewe haben einen Hochsicherheitstrakt», sagt Erika, «da wird dem Fleisch Sauerstoff zugefügt, damit es frisch aussieht und sich länger hält. Frischfleisch führen die gar nicht mehr – das ist doch Betrug! Wenn die Kunden zu mir an die Theke kamen und fragten: Na, was können Sie mir denn heute Schönes empfehlen? Dann habe ich gesagt: Bäh! Gar nichts davon.» Und es kam noch schlimmer. Von den Antibiotika im Formschinken bekam Frau Wolf-Zielinski eine schlimme Gürtelrose an den Händen und irgendwann sogar eine Psychose. Ihr war, als könne sie die geschundenen Seelen der toten Tiere in der Auslage spüren. Sie schmiss hin.
Seit acht Jahren therapiert sich Erika selbst, und es geht ihr besser. Nun übt sie das Handauflegen – mit Erfolg: Neulich habe sie ihre Hündin geheilt, der Labrador litt an Haarausfall. «Und heute ist ihr Fell so schön wie nie!», sagt Frau Wolf-Zielinski, und jetzt zieht auch Iris das erste Mal die Mundwinkel nach oben.
«Wir müssen die Schwierigkeiten des Lebens in Liebe lösen», lächelt Iris. «Ich meine nicht die amouröse oder die sexuelle Liebe, sondern die spirituelle, die göttliche Liebe. Wobei das eine das andere nicht ausschließt.»
«Wir, äh … verbinden uns mit der spirituellen Ebene», sagt Erika, «und heilen dann durch den Geist und unsere Hände.»
Wie das in der Praxis funktioniert? Angeblich ganz einfach: Erika fährt mit ihren Händen über den erkrankten Körper und spürt dann die Gallensteine, die Krampfadern oder das chronische Rheuma in sich selbst. Iris dagegen heilt mit ihrem «dritten Auge». Sie betrachtet den Patienten, schließt die Lider, und in ihrem Kopf erscheinen Röntgenbilder, zum Beispiel von verletzten Organen. Nach der Diagnose schickt sie den Kranken Licht und Farben aus ihrem Innern. «Das klingt schön», sage ich, und Iris meint, auch ich hätte viel strahlendes Licht in meinem Körper. Nur würde es im Kopf flackern, und meine Füße seien dunkel wie die Nacht. Beide Therapien sollen gegen jedes denkbare Leiden helfen. Gegen Stress, gegen Lernschwäche, gegen Kinderlosigkeit, gegen Beziehungsquerelen, sogar gegen Geschäftsprobleme. Ja, Licht, Farben und Liebe könnten den Umsatz einer Firma deutlich ankurbeln, sagt Iris.
«Gibt es denn etwas, das Sie nicht heilen können?», frage ich.
«Prinzipiell ist alles möglich», antwortet Iris, «ich habe allerdings noch nicht mit jeder Krankheit gearbeitet. Man kann’s halt nicht versprechen: Wenn’s hilft, dann hilft’s, wenn nicht, dann eben nicht.»
«Haben Sie schon viele Menschen
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