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Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Titel: Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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geheilt?»
    Erika und Iris geben zu, dass sie bisher nur Erfahrungen auf dem Gebiet der Selbstheilung besitzen. Aber es sei nun Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Preise: fünfzig Euro für eine Stunde Liebestherapie mit Erika oder Iris, hundert Euro für beide zusammen. Ein gemeinsamer Meditationstag in der Gruppe ist vergleichsweise günstig: 16,50 Euro ab zehn Personen plus 12,50 Euro für das Mittagessen. «Wir überprüfen unsere Arbeit ständig!», schiebt Iris nach und betont noch einmal, dass sie keine Heilung garantieren könne. Selbstverständlich bestehe auch immer das Risiko einer Erstverschlimmerung. Übrigens sei sie gesetzlich verpflichtet, dies zu erwähnen. «Wichtig ist, dass die Patienten sich ganz darauf einlassen! Alles ist Energie!», sagt sie und nennt als positives Beispiel den israelischen Löffelverbieger Uri Geller.
    Frau Wolf-Zielinski wirkt immer noch leicht nervös. Sie hält einen dicht beschriebenen Zettel in der Hand und hat etwas Besonderes vorbereitet: «Ich würde Ihnen allen gerne eine Körperreise anbieten. Das ist eine meditative Entspannungstechnik, mit der wir arbeiten.» So eine Reise könne allerdings ein sehr intensives Erlebnis sein, und die Teilnahme sei natürlich freiwillig. Da sich kein Widerstand regt, beginnt Frau Wolf-Zielinski langsam, sachte und mit sonorer, angenehmer Stimme zu lesen.
    «Schließe die Augen und suche dir eine Position, in der du dich ganz und gar wohlfühlst. Lass die Schultern fallen, einfach fallen. Entspanne die Muskeln, den Nacken, die Arme, die Beine …»
    Ich blinzle kurz und sehe, dass wirklich jeder im Raum zu einem Ausflug in sein Inneres aufgebrochen ist. Die Gladenbacher sind in sich zusammengesackt, so friedlich und gelöst wie die Leichen im Tatort der ARD. Ich selbst habe geistig in meiner Badewanne Platz genommen.
    «… Jetzt stell dir vor, wie warmes goldenes Licht von deiner Stirn aus durch den Kopf in deinen Nacken fließt. Vielleicht spürst du, wie es dich küsst und wie es dich wärmt. Wie es von deinem Nacken in deinen rechten Oberarm scheint, in den Unterarm und jetzt in deine Hände. Vielleicht spürst du die Wärme nun auch in der linken Körperhälfte …»
    Schon wieder muss ich blinzeln und sehe nur die sterbliche Hülle von Iris, ihr Geist ist irgendwo auf dem Rothaarsteig oder bei den armen Seelen im gemischten Hack von Dudenhofen. Erika lässt ihr goldenes Licht noch zehn Minuten kreuz und quer von oben bis unten durch unseren Leib touren, dann kommt sie zum Ende.
    «… Dein Körper ist nun ganz von goldenem Licht erfüllt, und vielleicht fühlst du jetzt eine wohltuende, liebevolle Wärme überall in dir. Nun verharre noch ein wenig in dieser entspannten Position, dann kehre allmählich zurück in unsere Welt und öffne die Augen, wenn dir danach ist.»
    Stille.
    «Haben Sie etwas gespürt?», flüstert Iris, und einige nicken beseelt. Ich selbst hatte leider nur das wohlig-warme Gefühl der Cannelloni im Magen und den verdammten Tinnitus im Ohr. Wie schade, ich hätte das goldene Licht gerne gesehen.
    Der Vortrag geht zu Ende, und die beiden bedanken sich. Erika legt uns bunte Infozettel ans Herz, und Iris erwähnt, dass sie am Eingang eine Spendenbox aufgestellt hat. «Fünf Euro, zehn Euro, wie Sie empfinden!», sagt sie, und die Zuhörer applaudieren. An der Tür bildet sich die übliche Traube derer, die noch diskutieren wollen. Eine weitere Heilerin, ein Verschwörungstheoretiker aus Leipzig und eine Dame, die sich selbst als Hexe bezeichnet, das aber nicht an die große Glocke hängen möchte. Die drei fragen mich, ob ich vom Sonnensturm gehört hätte, vom Weltuntergang und davon, dass die Erde bald in die fünfte Dimension rutschen werde.
    «Nein!», sage ich.
    «Doch!», sagen die Leute.
    «Ist nicht wahr!», sage ich.
    «Doch!», sagen die Leute, und irgendwann sitze ich neben der freundlichen, mittelalten, geistheilenden Metzgerin Frau Wolf-Zielinski in einem roten Kleinwagen. Sie macht mit mir eine physische Körperreise zurück nach Dillenburg, denn es ist fast zehn, und Gladenbach ist schon klinisch tot. Kein Bus, keine Bahn, kein Taxi. Erika erzählt von zu Hause. Von ihrer Hündin mit dem glänzenden Fell, von ihren Kindern, die sie glücklich machen möchte, von ihrer dritten Ehe mit einem cholerischen Polen, der schwerer Alkoholiker sei, und davon, wie lange sie nun schon versuche, die Dinge in Liebe zu lösen. «Wenn er mich wenigstens schlagen würde», sagt sie, «dann könnte ich

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