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Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Titel: Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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verwaisten Sonnenterrasse wirken tot und verwunschen, nur das tropfende Schild «Sandwich» lächelt mich an.
    Ich drücke gegen die Eichentür, setze den ersten matschigen Fuß auf den Estrich und erstarre, als ich zwischen Plastikdeckchen, staubigen Fensterbänken und Gardinen in fahlem Gelb den Erbfeind erspähe: das Fernsehen. Eine deutsche «Medienagentin» aus Cannes und ein Regisseur aus Berlin haben sich hinter zwei Tassen Kaffee verschanzt. Jetzt springen sie hektisch aus ihrer Deckung, eilen auf mich zu und schütteln mir im Takt eines Maschinengewehrs die Hand.
    Die zwei sind mir seit Wochen auf den Fersen. Erst haben sie mich mit E-Mails bombardiert, dann mit einer verrauschten Telefonkonferenz gefoltert. Ich war gerade irgendwo auf dem Rothaarsteig verschollen, als mitten im Wald mein Handy klingelte und eine Computerstimme mich zu einer «Telko» einlud. Leider hatte ich wenig Empfang, also hängte ich das Telefon so hoch wie möglich in einen Baum, stellte es auf laut und lauschte den verzerrten Stimmen aus dem Orbit der Medienwelt. Die beiden meinten, sie würden mich gerne «einkaufen», als «Host» für ein «Reality-Doku-Format», das bereits im Ausland für Furore gesorgt habe. Und ich meinte, eigentlich im Scherz: «Wenn Sie mich in Seltz besuchen, können wir uns ja mal unterhalten.»
    Jetzt sind sie also da. Beide in meinem Alter und äußerst attraktiv. Sie erinnert an Jennifer Aniston, er ähnelt dem baskischen Fußball-Idol und Profi-Surfer Bixente Lizarazu. Ich selbst habe mittlerweile etwas von Raimund Harmstorf, dem Seewolf. Wir drei müssen ein bizarres Bild für die Elsässer abgeben, denn ansonsten findet man in diesem Lokal genau die Gestalten, deren Porträts man nur in GEO sieht oder auf Postkarten verschickt. Knorrige Herren, die einzeln an runden Holztischen sitzen und trinken. Ein Mann mit dichtem braunen Schnurrbart und Kappe starrt in seinen Rotwein und sagt kein Wort. Ein anderer trinkt gerade einen Bierhumpen aus, studiert die Bild-Zeitung (Top-News des Tages: Linda de Mol feiert ihr Comeback) und fällt vor allem durch seine bordeauxfarbene Kartoffelnase auf. Es riecht nach kaltem Rauch und Alkohol, auch die Wirtin, ein maskulines Weib mit freien Oberarmen und kurzen, rotgefärbten Haaren, hält ein Glas Bier in der Hand.
    «Noch e Schlickele, wenn’s beliebt!», ruft die Kartoffelnase.
    «Dü süffsch wie e Loch!», antwortet die Wirtin.
    Der Schnauzbart schweigt.
    Die Medienagentin, der Regisseur und ich haben gemeinsam Platz genommen und geben der Wirtin ein Zeichen. Nach einer Weile schlurft sie lustlos an unseren Tisch. Mein Magen knurrt.
    Wirtin: «Jo?»
    Ich: «Gibt es bei Ihnen etwas zu essen?»
    Die Wirtin sieht nur stumm auf den Boden.
    Ich: «Äh … quelque chose à manger?»
    Wirtin: «Na.»
    Ich: «Sandwich?»
    Wirtin: «Naaa!»
    Ich: «Oh, dann nehme ich auch einen Kaffee, un café. Und ein Wasser bitte.»
    Wirtin: «Koffee, Wosser.»
    Regisseur: «Ach komm, gleich eine Flasche Wasser für alle!»
    Medienagentin: «Une bouteille de l’eau pour tous, s’il vous plaît!»
    Die Wirtin schreibt die Worte «Kaffee» und «Wasser» auf einen Notizblock und tritt ab. Die Medienagentin erzählt in ausgezeichnetem Deutsch, dass sie seit Jahren in Frankreich lebe und die deutsche Sprache längst verlernt habe. Der Regisseur raucht.
    Agentin: «Franzosen haben einfach ein ganz anderes Savoir-vivre.»
    Regisseur: «Also, ich sag jetzt einfach mal ‹du›. Ich bin der Tom.»
    Agentin: «Und ich Constanze.»
    Ich: «Dennis, freut mich.»
    Wirtin: «Koffee, Wosser.»
    Kartoffelnase: «No e Schlickele!»
    Wirtin: «Pratz nitt so! Dü rejsch mi uf!»
    Der Schnauzbart schweigt.
    Schon im Umdrehen setzt mir die Wirtin noch eine kleine Tasse schwarzen Kaffee vor. In der Tischmitte stehen jetzt eine Karaffe mit Leitungswasser und drei Gläser. Constanze und der Tom erzählen von ihren größten beruflichen Erfolgen. Ich habe Hunger. Der Tom sagt, er habe etliche Werbefilme und Musikvideos gedreht, zuletzt mit Sarah Connor. Constanze sagt, sie berate TV-Redaktionen als «Creative Consultant» und handle als «International Affairs Consultant» weltweit mit Auslandsrechten für Fernsehformate. Auf Deutsch: Sie vermakelt quotenbewährte Sendungsideen an TV-Sender, die keine Ideen haben. Und weil selten jemand eine gute Idee hat, vor allem in Deutschland, ist das ein äußerst lukratives Geschäft.
    Der Tom: «Und da kommst du ins Spiel.»
    Constanze: «Exakt. Wir haben deine

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