Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)
nicht.
Constanze: «L’addition, s’il vous plaît!»
Die Wirtin rechnet: «Dö, katre, sänk … alors: wengt-katre-katorse. Vierundzwanzig vierzig.»
Der Tom: «Stimmt so.»
Wirtin: «Mersi.»
Kartoffelnase: «No e Schlickele Bier, mini Liebschti!»
Wirtin zu Kartoffelnase: «Du bisch voll wie e Zapfe!»
Kartoffelnase: «Min Zuckerschniffele!»
Wirtin: «Süffkulwe!»
Der Schnauzbart rülpst.
Endlich ebbt der Regen ab, wir stehen draußen vor der Eichentür, und der Tom will, dass ich ihm High five gebe. Constanze umarmt mich sogar und küsst mich rechts, links, rechts auf die Wange. Sie sagt, es habe ihr richtig gut gefallen und sie habe jetzt ein richtig gutes Gefühl. Sie werde noch heute Abend zu einem megawichtigen Meeting nach Stuttgart fahren, sie sei ja eine Malocherin, ein echter Workaholic, sie kenne Vierundzwanzig-Stunden-Arbeitstage, an denen man richtig burnt, an denen man alles raushole, was man sonst kaum in einer Woche schaffe. Ja, das kenne ich auch.
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Kapitel 10
Allein bei Kerzenschein
(Drusenheim–Straßburg)
D ass Franzosen etwas chaotisch sind, ist ein böses Gerücht. Aber es stimmt. Sie können ihre Straßenschilder nicht richtig beschriften, fahren wie die Henker und verlassen sich beim Einparken ausschließlich auf ihr Gehör. Und trotzdem habe ich sie schon tief in mein Herz geschlossen. Hier in Frankreich bin ich kein Landstreicher, obwohl ich mit meinem fusseligen Vollbart genau so aussehe. Nein, in diesem wunderbaren Land bin ich ein Monsieur. Monsieur Gastmann.
Wenn ich mich verlaufe und nach dem Weg frage, heißt es freundlich: «Nach links, Monsieur!» oder «Nach rechts, Monsieur!». Wenn ich dann im Kreis gehe und nach einer halben Stunde wieder an die gleiche Stelle komme, trällert es nicht weniger charmant: «Pardon, Monsieur!» Und wenn sie den Monsieur mit ihren Karren auch schneiden, abdrängen und fast überrollen – jeder, aber auch wirklich jeder Franzose erweist mir dabei auf seine Weise Respekt: Die Jugendlichen hupen, die Reiferen grüßen mich mit Fernlicht, und drei Monteure, die wie Hühner auf der Stange in der Kabine ihres Lieferwagens hocken, strecken synchron Zeige- und Mittelfinger ihrer rechten Hand in die Höhe, während sie rücksichtslos mit hundertzwanzig haarscharf an mir vorbeifegen. Das Victory-Zeichen? Nein, sie segnen mich. Sie denken, ich laufe auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela.
Die Richtung stimmt. Weil Heinrich IV. einen großzügigen Abstecher ins Landesinnere nach Besançon gemacht hat, führt meine Reise auf seinen Spuren erst mal dreihundert Kilometer nach Südwesten. Rechts die Vogesen, links der Rhein, so konnte er sich leicht orientieren. Und selbst ich begreife: Wenn die dunkle, wolkenverhangene Bergwand plötzlich links von mir aufragt, wird es höchste Zeit, umzukehren.
Innerhalb dieser natürlichen Grenzen aus Wasser und Stein kann ich verschiedene Wanderlandschaften wählen. Nähere ich mich dem Gebirge, laufe ich über die «Route des Vins d’Alsace», die Elsässische Weinstraße. Auf lichtbeschienenen Hügeln wächst dort der Gewürztraminer, ein intensiver, fruchtiger Wein. Er stammt eigentlich aus Südtirol, doch es heißt, nur hier im Elsass könne er sein ganzes Aroma entfalten. Die Gipfel der Vogesen halten die Wolken fern, der Rhein reflektiert das Sonnenlicht, kühlt am Tag und wärmt bei Nacht, und wenn die überreifen weißen Trauben am Ende eines langes Sommers geerntet werden, schmeckt der Gewürztraminer auf wundersame Weise nach Quitte, Grapefruit, Litschi, nach Akazien und Rosen, nach Zimt, Nelken und Pfeffer. Eigenwillig, aber fesselnd. Beim ersten Schluck hat mich dieser Geschmack irritiert, beim zweiten erschreckt, beim dritten habe ich ihn sogar gehasst. Doch irgendwann machte mich der Traminer süchtig.
Es gibt nichts Schöneres, als stundenlang durch die Weinberge zu wandern und über das Tal und den Rhein bis nach Deutschland zu blicken, doch die Steigungen, dieses ständige Auf und Ab, raubt mir die Kraft. Manchmal sind die Pfade zwischen den Rebstöcken verworren, führen mich im Zickzack oder verlaufen sich einfach. Dann muss ich improvisieren und mir meinen eigenen Weg durch das Weinlabyrinth suchen, was den Bauern, der hier noch mit dem Pferdefuhrwerk den Boden aufreißt, nicht gerade begeistert. Will ich Canossa in diesem Leben erreichen, muss ich ökonomischer gehen.
Die Asphaltpiste am Flussufer kommt für mich nicht mehr in Frage, die Autobahn in
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