Gangster auf der Gartenparty
Lampions auf.
Klößchen polierte am Grillplatz den
Bratspieß.
Irgendwas, dachte Tim, stimmt nicht.
Was? Ah, die Kulisse! Der Garten, der Rasen! Der sieht ja aus. Wenn sich da eine
Dame auf hohen Absätzen bewegt, liegt sie sofort bäuchlings. Peng! Was tun?
Soll ich gleich oder...
„Um Gottes willen!“ schallte Hermann
Sauerlichs Stimme über die Terrasse — und unterbrach Tims Gedankenfluß.
Der Schoko-Fabrikant stemmte beide
Hände in die Hüften und starrte in den Garten.
Erna kam mit einem Tablett voller
Gläser aus dem Haus und hatte den Aufschrei vernommen.
„Was ist, Hermann?“
„Sieh dir das an. Den Rasen!“
Erna lächelte. „Wie die Halme gewachsen
sind. Das geht so schnell — man könnte zusehen.“
„Aber abends, wenn der Tau fällt“, rief
Klößchen, „wird’s feucht. Papa, sag doch den Gästen, die sollen Gummistiefel
mitbringen.“
„Gummistiefel zum kleinen Abendkleid?“
Erna tat entsetzt. „Also, Hermann, das geht wirklich nicht.“ Sie begann zu lachen.
„Keine Sorge. Ich habe an unsere Wildnis gedacht. Der Rasenmäher-Schnelldienst
wird jeden Moment hier sein.“
Schnelldienst? dachte Tim. Du liebe
Güte! Das sind sicherlich wieder Zeitlupen-Arbeiter mit Blei in den Füßen.
Seine Befürchtung wurde übertroffen von
dem, was dann geschah.
Mißtrauisch beäugte er die beiden
Typen. Sie trugen blaue Overalls, Anglerhüte und große Sonnenbrillen. Gemeinsam
schleppten sie einen vorsintflutlichen Rasenmäher, der möglicherweise
auseinanderplatzte, wenn man ihm Strom ins Getriebe gab.
Kessling und Obrecht. So hießen die
beiden, wie Erna berichtet hatte.
Was Tim von den Gesichtern sah, gefiel
ihm nicht. Und die technische Ausrüstung war wirklich unter aller Sau.
Immerhin hatten beide artig gegrüßt.
Erna winkten sie zu, als sei sie eine alte Vertraute. Dann machten sie sich im
Hintergrund ans Werk. Wie sich rausstellte, handelte es sich bei dem Mäher
nicht um ein modernes Elektro-Modell, sondern um einen alten
Benzin-Motor-Gras-Abschneider.
Die Party-Service-Abgesandten beendeten
ihr Möbelrücken, erhielten Trinkgeld und zogen ab.
Erna und Hermann pilgerten an dem
ewiglangen Tisch entlang und diskutierten die Sitzordnung.
„Hier Dieter, dann Ute und Eckardt,
gegenüber den Lutz“, sagte Erna.
„Helmut und Franz-Josef müssen wir weit
auseinandersetzen“, sagte Hermann. „Die streiten sonst wieder den ganzen Abend
über Politik.“
„Igitt!“ meinte Erna. „Wir wollen doch
feiern.“
Tim griff zum Schraubenzieher und
setzte die Reparatur an einer Stereo-Box fort.
Als der Rasenmäher überlaut spuckte,
blickte er auf.
Um Himmels willen! Diese Idioten! Wohin
glotzten die — statt auf ihr Gerät zu achten?
Volle Pulle rollte der Mäher soeben ins
Blumenbeet.
Rrrrrrr... setchsetchsetch... flogen
die Köpfe von Drachenwurz, Gedenkemein, Nachthyazinthe und Tränenden Herzen
umher.
„Halt!“ brüllte Tim. „Doch nicht dort!“
Jener, der Kessling hieß, machte einen
komischen Sprung, schaltete das Ungetüm aus und zog es vom Beet.
Betretenheit lud die Stille auf.
Sauerlich rannte zum Tatort.
„Sind Sie des Teufels!“ rief er. „Sie
haben unsere schönsten Blumen geköpft.“
„Aus Versehen“, sagte Kessling. „Tut
uns leid.“
Hermann betrachtete den Rasen. „Nennen
Sie das Mähen? Hier sieht’s ja aus wie auf einer Schafweide.“
„Das ist jetzt modern“, erwiderte
Kessling. Er hatte die Sonnenbrille abgenommen und blinzelte. „Den
geschniegelten Golf-Platz-Schnitt will keiner mehr.“
„Aber ich will ihn“, ereiferte sich
Hermann. „Und dazu Blumen mit Köpfen. Ich glaube, meine Herren, die Aufgabe
überfordert Sie. Wir verzichten auf Ihre Dienste. Was bin ich schuldig?“
„Nichts“, bockte Kessling. „Wir haben
auch unseren Stolz.“
Obrecht schwieg. Vielleicht kann der
gar nicht sprechen, dachte Tim. Bis jetzt hat er nicht ein einziges Wort
gesagt.
Alle sahen zu, wie das Duo um die
Hausecke abschob. Mit dem Mäher gingen sie vorsichtig um — etwa wie mit einer
Kiste Porzellan.
Tim ging ihnen ein Stück nach und sah,
wie sie den Mäher an der Garage vorbei zur Straße trugen, wo ein alter Kombi
wartete. Das Gerät wurde verladen. Die beiden fuhren ab.
„Es soll wohl nicht sein“, sagte
Hermann, als Tim zurückkam. „Kein Schnelldienst, kein Gärtner — und unser Mäher
ist schon lange kaputt. Hiermit bestimme ich, daß ein hoher Rasen kein Unglück
ist. Das Gelingen einer Party hängt ab von der Güte des
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