Ganz die Deine
«
»Irgendwie hab ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich dich hier allein sitzen lasse. Willst du wirklich nicht zu uns nach Hause gehen? Meine Frau ist total in Ordnung, die hat bestimmt nichts dagegen.«
»Nein, danke, mir geht es gut so.«
»Erzähl doch keinen Quatsch, Dickkopf! Wie soll es dir gut gehen in dem Schlamassel?«
»Letzter Aufruf: Auf Fahrsteig neun fahrt ab der Linienbus nach Rosario.«
»Ich komm ja schon. So eine Verarschung, erst lassen sie dich zwei Stunden warten, und dann haben sies plötzlich eilig!«
» … «
» … «
»Danke!«
»Guillermo oder Guillermina, denk dran!«
»Mach ich.«
»Und grüble nicht so viel rum. Da kommt nichts bei raus.«
»Wenn ich mehr nachgedacht hätte, säße ich jetzt nicht hier.«
»So gefällst du mir schon besser! Es ist gut, wenn man über sich lachen kann.«
» … «
»Also, ich muss los.«
»Ciao.«
»Ciao. Und viel Glück.«
» … «
»Ciao.«
»Ciao.«
»Ich schreib dir hier meine Telefonnummer auf, Kleine. In zwei, drei Tagen bin ich wieder hier, falls du irgendwas brauchst, ruf mich an, einverstanden? Ich hab einfach eine Sauklaue. Kannst du das lesen?«
»Acht zwei fünf, acht drei acht drei.«
»Acht drei acht drei. Genau. Und als Vorwahl die vier, hier.«
»Ja, ich sehe schon.«
»Also dann. Und wie heißt du eigentlich, Kleine?«
»Lali, also eigentlich Laura, aber die anderen nennen mich Lali.«
»Ciao, Lali.«
»Ciao.«
»Und ruf an!«
»Ciao.«
25
Am Freitag letzte Woche um 17.00 Uhr traf im Polizeirevier 31 ein Umschlag mit einer handgefertigten Lageskizze ein. Darauf war von einem anonymen Absender der Regatta-See im Stadtteil Palermo als die Stelle gekennzeichnet worden, wo sich der Leichnam der seit dem 15. September des laufenden Jahres vermissten Alicia Soria befinden sollte. Am selben Tag, noch vor Eintreffen der erwähnten Sendung, gingen ebenfalls mehrere Telefonanrufe auf dem Revier 31 ein, sämtliche getätigt von öffentlichen Fernsprechern an unterschiedlichen Stellen der Stadt Buenos Aires. In den Anrufen wurde die Behauptung aufgestellt, der Leichnam Alicia Sorias befinde sich auf dem Grund des erwähnten Sees. Beamte des Reviers haben sich umgehend an die Überprüfung dieser Information gemacht, die die Ermittlungen in diesem bislang ungelösten Fall in völlig neue Bahnen lenken könnte.
Es gibt wohl niemanden, der sich am Strand von Copacabana nicht gleich auf den ersten Blick in Rio de Janeiro verlieben würde: Sanfte Brandung und herrlich weißer Sand, soweit das Auge reicht – der ideale Platz zum Sonnenbaden und Ausspannen.
Nachdem bekannt geworden war, dass sich die Leiche Alicia Sorias womöglich im Regatta-See des Palermo-Parks befinde, erschien im Polizeirevier 31 ein Taxifahrer. Der Mann behauptete, in der Nacht, in der die bereits erwähnte Alicia Soria verschwunden war, eine Frau eben dorthin gebracht zu haben. Damit meldete sich zum ersten Mal, seit die Familie das Verschwinden ihrer Angehörigen angezeigt hat, ein Zeuge, der möglicherweise relevante Aussagen zu diesem Fall machen könnte. Es handelt sich um den einundfünfzig Jahre alten Taxifahrer Juan Migrelli. Migrelli gab zur Erklärung an, bislang sei er nicht auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei der Vermissten und seinem damaligen weiblichen Fahrgast um ein und dieselbe Person handeln könne. Angesichts der während der vorausgegangenen Stunden bekannt gemachten Informationen habe er jedoch auf Anraten seiner Ehefrau beschlossen, auf dem Polizeirevier eine Zeugenaussage abzugeben. »Ich weiß noch, ich habe zu ihr gesagt: ›Señora, wollen Sie wirklich um diese Uhrzeit alleine hier aussteigen?‹, und sie hat gesagt: ›Keine Sorge, ich werde abgeholt.‹ Na ja, jeder ist schließlich selbst für sein Leben verantwortlich. Ich habe sie dann jedenfalls zahlen lassen und bin weitergefahren.« So der Taxifahrer.
Lucas, vom Lateinischen »hell leuchtend wie das Licht«, erscheint auch in den Formen »Luca« bzw. »Lucca«
Guillermo, Name germanischen Ursprungs, bedeutet soviel wie »Wächter, Beschützer«
Am späten Nachmittag des vergangenen Freitags erwirkten die Anwälte der Familie Soria nach intensiven Verhandlungen eine Anordnung des mit dem Fall betrauten Untersuchungsrichters. Dieser entsprechend wurde in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages eine systematische Untersuchung des Seebodens eingeleitet. Der Regatta-See ist mit einer Grundfläche von zehn Hektar der größte See im Stadtbezirk
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