Ganz, nah!
geboren? «
»Nein, geboren bin ich in Chicago. Meine Mutter war Krankenschwester, und wir haben dort gewohnt, bis ich vier war. «
»Was ist mit deinem Vater? «
»Er hat sie verlassen, als sie mit mir schwanger war. Sie waren nicht verheiratet. «
»Und wie bist du in Ohio gelandet? « Er stellte die Flasche und zwei Cognacschwenker auf die Theke.
»Als ich vier war, wurde bei meiner Mutter ein schnell wachsender, unheilbarer Tumor diagnostiziert, deshalb schickte sie mich zu meiner Großmutter nach Ohio. Sie glaubte, es fiele mir leichter, mich an das Unabänderliche zu gewöhnen, wenn ich erst einmal dort wäre. Am Anfang besuchte sie uns häufig, und sie arbeitete auch noch, so lange sie konnte. «
»Und was geschah dann? «
Leigh legte die Hände auf die Theke, als wolle sie sich wappnen. »Eines Tages, als ich fünf war, umarmte und küsste sie mich zum Abschied und sagte, sie käme bald wieder. Sie hat nicht gewusst, dass sie dazu keine Gelegenheit mehr haben würde. «
Leighs Gesten und die Art, wie sie erzählte, waren so ausdrucksstark, dass Michael ihr gebannt lauschte. Er verstand, warum sie eine so erfolgreiche Schauspielerin war, aber heute Abend spielte sie keine Rolle. Das war kein Drehbuch, und er war alles andere als ein unbeteiligter Zuschauer. Nur mit Mühe riss er sich los, um den Brandy einzuschenken. »Kannst du dich noch gut an sie erinnern? «
»Ja und nein. Ich erinnere mich daran, wie sehr ich sie geliebt habe und wie aufgeregt ich immer war, wenn sie zu Besuch kam. Ich erinnere mich daran, wie sie Gutenachtgeschichten vorgelesen hat, und dass sie, so seltsam es klingen mag, immer fröhlich und glücklich war, wenn wir zusammen waren. Aber sie wusste, dass sie sterben musste und dass ihr Leben vorbei war, bevor es richtig angefangen hatte. «
Michael blickte sie an. »Du musst ihr Talent geerbt haben. «
»Was für ein Talent? «
»Zum Schauspielern. «
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Danke«, erwiderte sie leise. »Das werde ich nie wieder vergessen. Wenn ich das nächste Mal auf die Bühne gehe, werde ich mir sagen, dass ein Teil von ihr immer bei mir ist. «
Noch vor einer Minute hatte sie ihm Leid getan, und jetzt lächelte sie ihn an, und er fühlte sich wie ein König. »Also bist du in Ohio aufgewachsen? «
Sie nickte. »In einem winzigen Nest, von dem du noch nie gehört hast. «
»Warst du einsam? «
»Nein, eigentlich nicht. Alle im Ort kannten meine Großmutter und hatten meine Mutter schon als Kind gekannt. Ich war eine >mutterlose Waise<, und deshalb adoptierte mich fast der ganze Ort. «
»Eine wunderschöne mutterlose Waise«, ergänzte er.
»Ich war noch nie wunderschön, vor allem damals nicht. Ich hatte Sommersprossen und leuchtend rote Haare. Es gibt ein Foto von mir, da bin ich ungefähr drei und sitze mit meiner Stoffpuppe auf dem Sofa. « Lachend gestand sie: »Du hättest uns für Zwillinge halten können. «
Ihr Lachen war ansteckend, und Michael musste grinsen. »Und wie bist du nach New York gekommen? «
»Meine Lehrerin auf der Highschool fand, ich hätte Schauspieltalent, und machte es zu ihrer Lebensaufgabe, mir ein Stipendium an der NYU zu verschaffen. Als ich nach New York fuhr, begleitete mich der halbe Ort zum Busbahnhof, um mich zu verabschieden. Sie hatten nie den geringsten Zweifel daran, dass ich Erfolg haben würde, und lange Zeit lernte ich vor allem ihnen zuliebe. Vor zwei Jahren ist meine Großmutter gestorben, und seitdem bin ich nicht mehr dort gewesen. «
Michael reichte ihr einen Cognacschwenker und griff ebenfalls zu seinem Glas. »Komm mit mir«, sagte er, »dann zeige ich dir, was Architekten als >Rückzugsort des Eigentümer bezeichnen. « Er wartete, bis sie aufgestanden war und einen Schluck Brandy getrunken hatte, dann legte er ihr die Hand auf den Rücken. Er hatte lange genug gewartet- jetzt wollte er endlich ihre weichen Lippen spüren.
Ein Schauer durchrann sie, und sie sagte: »Der erste Schluck Brandy schmeckt immer wie Schmieröl. «
Als er grinste, fragte sie: »Habe ich etwas Komisches gesagt? «
»Nein. «
»Warum lächelst du dann? «
»Das erzähle ich dir später. «
Kapitel 49
Gespannt folgte Leigh ihm zum anderen Ende der Wohnung. Hinter der Treppe öffnete sich eine Doppeltür auf eine wundervolle, tiefer liegende Sitzlandschaft mit bequem aussehenden Sofas, die vor einem Kamin standen.
Dass die Wohnung noch nicht eingerichtet war, hatte Leigh beruhigt, und ihre Unterhaltung eben hatte
Weitere Kostenlose Bücher