Ganz, nah!
Computermonitoren, von denen der eine zu einem Laptop gehörte, der offenbar McCords Eigentum war. Auf dem blauen Bildschirm, der sich direkt hinter McCords Stuhl befand, war zu lesen »Enter Password«. Der größere Monitor war abgeschaltet.
Vier säuberlich gestapelte Aktenberge lagen auf seinem Schreibtisch, einer in jeder Ecke, unterschiedlich farblich gekennzeichnet. Mitten auf dem Schreibtisch, direkt vor dem leeren Drehstuhl, lag ein neuer gelber Schreibblock und daneben ein frisch gespitzter, gelber Bleistift. Unter dem Schreibblock lagen zwei Aktenmappen.
Besonders faszinierend fand Sam, dass McCord, trotz seiner offensichtlichen hausfraulichen Fähigkeiten, nicht versucht hatte, es sich für die Zeit der Ermittlungen, die Wochen, ja, Monate dauern konnten, im Büro gemütlicher zu machen. Es gab kein einziges Bild von einer Frau, einer Freundin oder einem Kind, keinen persönlichen Kaffeebecher oder sonst einen Hinweis. Nicht einmal das Namensschild, das normalerweise jeder Polizist mitnahm, stand an dem dafür vorgesehenen Platz.
Shraders Held musste entweder eine asketische Ader haben oder ganz einfach neurotisch sein, dachte Sam. Sie beugte sich zu Shrader hinüber, um ihm ihre Erkenntnis zuzuflüstern, als ihr Blick auf eine der Aktenmappen fiel. Offensichtlich waren es ihre Unterlagen aus der Personalabteilung. »Shrader, heißt du mit Vornamen... Malcolm? «
»Sehe ich aus wie Malcolm? «, fragte er empört, aber Sam erkannte seine Verlegenheit.
»Das ist doch ein schöner Name. Warum streitest du es ab? Du bist Malcolm Shrader. «
»Dann müssen Sie Samantha Littleton sein«, unterbrach sie Mitchell McCord, der genau in diesem Moment das Büro betrat.
Shrader und Sam sprangen auf und schüttelten ihm die Hand. »Und wenn ich mich nicht irre«, fügte McCord trocken hinzu, »dann ist mein Name McCord. « Er bedeutete ihnen, wieder Platz zu nehmen, setzte sich ebenfalls und griff nach dem Telefonhörer. »Ich muss nur noch rasch einen Anruf erledigen, und dann reden wir übers Geschäft. «
Sam musterte die zernarbte Wange und das ausdrucksstarke Gesicht ihres Gegenübers. Nein, er war ganz sicher kein pedantischer Asket, aber sie wusste auch nicht, wie sie ihn einordnen sollte. Nichts an ihm passte zu dem Gesamteindruck, den er vermittelte. Er war groß und bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines durchtrainierten Mannes, aber dafür war er eigentlich zu dünn. Er war Mitte vierzig, aber seine Haare waren grau, und seine Frisur erinnerte sie ein wenig an George Clooney. Er war gut angezogen, vor allem für einen Detective; seine braune Hose war frisch gebügelt, sein brauner Ledergürtel hatte genau den richtigen Farbton, und sein beigefarbenes Polohemd war makellos -aber das braune Tweedjackett, das er trug, war ihm zu groß, vor allem an den Schultern.
Natürlich spielte das eigentlich keine Rolle; Sam war klar, dass sie einen Mann nicht nach seiner Kleidung beurteilen konnte, aber sein Gesicht fand sie genauso verwirrend. Er war tief gebräunt, ein Zeichen dafür, dass er nicht nur das Geld, sondern offensichtlich auch Sinn dafür hatte, sich wochenlang in der Karibik an den Strand zu legen. Andererseits jedoch wiesen seine Narben und das kantige Gesicht nicht auf Verweichlichung hin.
Mitchell McCords Gesicht konnte man nicht als jugendlich oder gut aussehend bezeichnen, aber es zeugte von einem so starken Charakter und so viel Lebenserfahrung, dass Sam es äußerst charismatisch und interessant fand.
Überrascht stellte sie fest, dass sie bedauerte, sich nicht die Haare gewaschen oder etwas Netteres als Jeans und Sweatshirt angezogen zu haben.
Kurz darauf legte McCord auf und wandte sich an Shrader. »Okay, bringen Sie mich auf den neuesten Stand. Ich möchte über jedes Detail unterrichtet sein. « Er warf Sam einen Blick zu. »Wenn er etwas auslässt, unterbrechen Sie ihn sofort, ganz gleich, wie unwichtig es Ihnen vorkommt. «
Er ergriff den gelben Block, drehte sich zur Seite, schlug die Beine übereinander und zückte den Bleistift. Als Shrader zu reden begann, machte er sich sofort Notizen.
Sam beobachtete ihn, sein Gesicht und seine Körpersprache. Seine braunen Loafers waren auf Hochglanz poliert. Aber dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit entschlossen dem Gespräch zu und vergaß darüber, wie seltsam attraktiv sie McCord fand. Als er ihr die erste Frage stellte, war sie bereits in der Lage, ruhig und präzise zu antworten.
»Haben Sie Leigh Manning im Krankenhaus
Weitere Kostenlose Bücher