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Ganz oder gar nicht

Ganz oder gar nicht

Titel: Ganz oder gar nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Sellers
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Handschrift.
    Das hörte sich im Vergleich zu den trockenen Vertragstexten und technischen Beschreibungen, die Rosalind sonst hauptsächlich zu übersetzen hatte, sehr verlockend an. Noch viel verlockender aber waren die Arbeitsbedingungen. Der Besitzer dieser Handschrift wollte diese nicht aus der Hand geben und bot ihr an, in seinem Landhaus an der Küste von Cornwall zu wohnen, bis sie mit der Arbeit fertig wäre.
    Solche Bedingungen waren nicht total ungewöhnlich, aber für Rosalind war es das erste Mal, dass sie an sie gestellt wurden. Viele Übersetzer betrachteten ein solches Angebot als das Beste, was ihnen passieren konnte.
    „Ich muss aber Sam mitnehmen", gab sie zu bedenken.
    „Das ist kein Problem", erklärte Gemma. Sam sei willkommen, vorausgesetzt, er würde gehorchen, wenn man ihm erklärte, dass kostbare Antiquitäten kein Spielzeug seien.
    In der Hinsicht konnte Rosalind ihre Agentin beruhigen, und als sie auflegte, strahlte sie übers ganze Gesicht. Jetzt musste sie ihr Leben gar nicht mehr so drastisch ändern, wie sie befürchtet hatte. Es würde ganz einfach für sie und Sam werden, eine Weile zu verschwinden und abzuwarten, was geschehen würde.
    Sie entspannte sich ein wenig und überlegte, wie sie Najib al Makhtoum - oder wen auch immer
    davon abhalten konnte, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen.
    Die folgenden beiden Tage waren angefüllt mit hektischer Betriebsamkeit. Als Erstes vertraute Rosalind Gemma an, dass es jemanden gäbe, dem sie nicht begegnen wolle, der aber möglicherweise versuchen würde, ihren Aufenthaltsort herauszufinden.
    Gemma versprach, niemandem zu verraten, dass sie Rosalind, überhaupt kannte.
    Einer Nachbarin gegenüber erwähnte Rosalind beiläufig, dass sie Freunde in den USA besuchen werde. Dasselbe sagte sie zu dem Zeitungsjungen. Bei einem Reisebüro in ihrem Viertel buchte und bezahlte sie für sich und Sam einen Flug nach New York für Donnerstagnachmittag.
    Dann veranlasste sie, dass ihre Post in einem Postfach gelagert wurde. Sie würde alle paar Wochen nach London reisen und ihre Post abholen, ohne auch nur in die Nähe ihres Apartments zu kommen.
    Für ihre Wohnung engagierte sie einen Housesitter. Helen Mit chell war eine solide wirkende Frau um die fünfzig, die ein Faible für Grünpflanzen hatte. Ihr erklärte Rosalind, dass sie ihrem Sohn Nordamerika-zeigen wolle. Sie würden gemeinsam mit Freunden in einem Wohnmobil den Kontinent bereisen, weshalb sie ihr keine Telefonnummer geben könne. Aber sie würde sich jede Woche einmal telefonisch melden, um etwaige Nachrichten abzufragen.
    Es war also alles geregelt.
    Am Donnerstagmorgen übergab Rosalind ihren Wohnungs schlüssel an Helen und stieg mit dem freudig erregten kleinen Sam in ein Taxi zur Victoria Station. Sie erzählte dem Taxifahrer, dass sie den Zug zum Flughafen nehmen wolle und erwähnte auch New York. Doch im Bahnhof verschwand sie mit Sam und ihrem Gepäck auf die Damentoilette. Dort stopfte sie ihr Haar unter eine Baseballmütze, setzte sich eine Sonnenbrille auf und zog eine andere Jacke an. Ihren Sohn verkleidete sie ebenfalls. Dann gingen sie hinaus und nahmen wieder ein Taxi, diesmal zur Paddington Station.
    Im Gespräch mit dem Taxifahrer bemühte sie sich um einen italienischen Akzent und behauptete, sie kämen gerade vom Kontinent. Im Bahnhof wechselten sie und Sam erneut ihr Outfit, und kurz darauf bestiegen sie den Zug, der sie nach Cornwall bringen sollte.
    Rosalind war zwar keine Expertin, wenn es darum ging, heimlich zu verschwinden, aber sie war ziemlich sicher, dass ihnen niemand gefolgt war.
    „Sie hat sich also entschieden, zu verschwinden", sagte Ashraf.
    „Das hat sie", bestätigte Najib.
    „Wie hat sie es eigentlich angestellt?"
    „Sie hat eingewilligt, am Freitag mit mir nach Ostbarakat zu fliegen, und ist am Donnerstag abgereist.
    Sie hat einen Flug nach New York gebucht und ..."
    „New York?"
    „Das war nur ein Ablenkungsmanöver."
    „Du warst dir ja ziemlich sicher, dass sie tun würde, was du wolltest, nicht wahr?"
    „Schon, aber eben nur ziemlich."
    Ashraf atmete hörbar aus. „Ich wünschte, sie hätte dir vertraut. Es wäre mir verdammt viel lieber, sie wären beide hier."
    „Es sollte nicht sein", erwiderte Najib. „Ich ahnte, wir würden zu Plan B greifen müssen."

6. KAPITEL
    „Wie überaus freundlich von Ihnen, dass Sie sich hierher bemüht haben, meine Liebe." Sir John öffnete die Tür zu seiner Bibliothek, und Rosalind blieb staunend

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