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Ganz oder gar nicht

Ganz oder gar nicht

Titel: Ganz oder gar nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Sellers
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westlichen Demokratien, als keine der Nationen, mit denen er so freundliche Kontakte gepflegt hatte, auch nur den leisesten Protest äußerte, da wurde ihm klar, dass er nicht nur von seinem Schützling Ghasib verraten worden war, der ihm alles verdankte, sondern auch von je nen westlichen Staaten, die offiziell mit seinem Land befreundet waren, einschließlich unserem, sosehr ich bedaure, das sagen zu müssen."
    Seine detaillierten Kenntnisse versetzten Rosalind in Erstaunen, und sie lauschte fasziniert seinen Erläuterungen über Ge schichte und Kultur Parvans und seiner Nachbarländer.
    „Und jetzt, meine Liebe", sagte Sir John eine Weile später, nachdem er ihr das Schriftstück gezeigt hatte, das sie übersetzen sollte, „lassen Sie sich ruhig Zeit bei der Arbeit. Irfani Arifan hat über fünfhundert Jahre auf diese Übersetzung gewartet, da kommt es auf ein paar Wochen mehr oder weniger nicht an. Auf jeden Fall freut es mich, Ihre Gesellschaft zu haben."
    Für Sam war es das Paradies. Jenseits des weitläufigen Parks gab es innerhalb der Mauern dieses Anwesens noch viele Morgen unkultiviertes Waldland, wo es für einen kleinen Jungen jederzeit Neues zu entdecken gab. Außerdem hatte die Haushälterin zwei kleine Töchter, die froh über den neuen Spielkameraden waren. Jeden Morgen verschwand er mit den beiden, um zur Mittagszeit nass, schmutzig und glücklich zum Essen zu erscheinen und danach gleich wieder zu verschwinden. Und sein Appetit war besser als je zuvor.
    Eines Tages, nachdem die Kinder wieder zu einem neuen Abenteuer zwischen den Bäumen verschwunden waren, entdeckte Rosalind in der Ferne eine menschliche Gestalt. Der Mann trug Stiefel und hatte ein Gewehr umgehängt. Sie dachte sich erst nichts dabei, aber am nächsten Morgen entdeckte sie den Mann wieder und auch am übernächsten.
    „Werden die Kinder überwacht?" fragte sie Sir John an jenem Abend.
    Sir John hatte gerade die Hand nach seinem Weinglas ausgestreckt, aber Rosalinds abrupter Themenwechsel hatte ihn wohl aus der Fassung gebracht. Jedenfalls stieß er sein Glas um. Rotwein ergoss sich über den makellos weißen Damast. Schweigend wartete Sir John ab, bis der Butler sich darum gekümmert und sein Glas frisch gefüllt hatte.
    „Sie haben wohl Jenkins gesehen", antwortete er dann, „meinen Verwalter. Ich fürchte, er mag es nicht allzu sehr, wenn Kin der auf dem Gelände frei herumrennen. Er kultiviert verschiede ne Pflanzen in dem Waldgelände und würde die Kleinen am liebs ten nur auf dem Rasen spielen lassen. Was das betrifft, ist er sehr empfindlich."
    „Ist er schon lange bei Ihnen?" fragte Rosalind, durch diese Auskunft keineswegs beruhigt.
    Sir John blickte überrascht auf. „Aber ja, schon sein ganzes Leben! Ich kannte seinen Großvater sehr gut. Die Familie hat ihren Besitz verloren. Oh, Sie müssen sich wegen Jenkins keine Sorgen machen, der ist wirklich ein guter Kerl. Wo er ist, kann den Kindern nichts passieren."
    Das Abendessen nahm Rosalind meistens mit Sir John ein, wenn Sam bereits im Bett war. Er war ein sehr kultivierter und belesener Mann, wusste aber auch über die unmittelbare Umgebung ungeheuer viel Interessantes zu berichten. Er erzählte Rosalind von mehreren prähistorischen Stätten, die mit dem Auto alle in einer halben Stunde zu erreichen waren, und Rosalind nahm sich vor, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einen Ausflug dorthin zu machen.
    „Wissen Sie, wir haben sogar unser eigenes kleines Stonehenge hier auf diesem Grundstück", sagte Sir John augenzwinkernd. „Es ist allerdings nur ein einzelner Stein. Die Tradition will es, dass man ihn selbst finden muss. Manche Leute stolpern sozusagen aus Versehen über ihn, während andere es kaum schaffen, ihn zu finden. Es gab auch schon Leute, die ihn überhaupt nicht bemerkt haben. Er befindet sich im Wald, im südwestlichen Teil des Anwesens. Alles Weitere müssen Sie selbst herausfinden, meine Liebe."
    Najib al Makhtoum ging Rosalind einfach nicht aus dem Kopf. Wenn sie in der Bibliothek saß und an der Übersetzung der uralten Handschrift arbeitete, dann hatte sie Ruhe vor ihm, aber nachts verfolgte er sie in ihren Träumen. Einmal träumte sie, dass er an ihrem Bett stand und sich über sie beugte. Sie rief laut seinen Namen, und als sie erwachte, hatte sie das Gefühl, dass Najib ganz in ihrer Nähe war.
    Wenn sie doch nur hätte sicher sein können, dass sie ihm vertrauen durfte!
    Es half ihr keineswegs, dass Sir John immer wieder aus

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