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Ganz oder gar nicht

Ganz oder gar nicht

Titel: Ganz oder gar nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Sellers
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den Hirsch, der jetzt anmutig einen Huf vor den anderen setzend auf den Rasen trat. Vorsichtig witterte er nach allen Seiten und begann schließlich zu grasen.
    „Nicht jedem gelang es, sich so gut zu verstecken. Mein Onkel Wafiq wurde 1977 umgebracht. Er hinterließ zwei Söhne. Erst 1984 erfuhr die Familie von seinem Tod, angeblich an Herzversagen.
    Würde offiziell bestätigt werden, dass der Jabir al Muntazir, den Ghasib hatte töten lassen, in Wirklichkeit Prinz Wafiq al Jawadi gewesen war, dann wären seine Söhne in Gefahr. Denn sie sind jetzt die nächsten Anwärter auf den Thron."
    Er hörte auf zu sprechen, und das Schweigen, das entstand, lastete schwer auf ihnen.
    Rosalind ging zu dem Porträt, und dann standen sie Seite an Seite und betrachteten das Bild. Als sie verstohlen in Najibs Ge sicht sah, musste sie wieder daran denken, was im Wald geschehen war. Er machte einen Schritt von ihr weg, als spürte er, woran sie dachte.
    „Das hier ...", Najib deutete auf einen Ring an der Hand des Sultans, „... ist die al Jawadi Rose. Es ist Tradition, dass der Sultan sie dem zu seinem Nachfolger bestimmten Erben übergibt, um die Sache offiziell zu machen. Jamshid - Prinz Kamil - wurde der Ring an seinem einundzwanzigsten Geburtstag übergeben. Jetzt ist der Ring verschwunden."
    Es war ein schwerer, massiver Goldring mit einem riesigen rosa Edelstein.
    „Und Sie glauben, dass Jamshid mir diesen Ring gegeben hat?" fragte Rosalind.
    „Hat er?" fragte Najib zurück.
    „Ich habe ihn niemals gesehen. Sprachen Sie nicht von einem Diamanten? Auf dem Gemälde sieht es nicht wie ein Diamant aus."
    „Es ist eine sehr, sehr seltene Art. Ein rosa Diamant mit besonderem Schliff. So etwas wird heute gar nicht mehr gemacht. Er hat dreiundsechzig Karat."
    Rosalind hätte fast gelacht. „Dreiundsechzig! Na, Sie können sicher sein, dass Jamshid mir ein solches Stück niemals auch nur gezeigt hat!" Sie blickte von Najibs Gesicht zurück zu dem Por trät. Es war ein ausdrucksvolles, intelligentes Gesicht, und besonders um die Augen war es sowohl Najib als auch Sam sehr ähnlich. Wie ähnlich, das war ihr bis jetzt gar nicht bewusst gewesen.
    „Können Sie jetzt meinen Großvater ein bisschen verstehen, Rosalind? Er war ein, gerechter und weiser Herrscher, aber das hat ihn nicht davor bewahrt, von dem Mann, der ihm die größte Loyalität schuldete, verraten zu werden. Jeder seiner drei Söhne wurde ermordet. Danach folgten die entsetzlichen Jahre, in denen er befürchten musste, seine Enkel würden auch nicht am Leben gelassen werden."
    Nach einer kurzen Pause fuhr Najib fort: „Und dann kehrt Jamshid aus England zurück und erklärt, dass er in den Krieg gehen würde, um an Prinz Kavians Seite zu kämpfen. Unser Großvater sagte, er setze sinnlos sein Leben aufs Spiel. Das dürfe er nicht. Prinz Kamil al Jawadi habe eine Verpflichtung seinem eigenen Volk gegenüber. Sein Tod war das Schlimmste. Mein Großvater ist daran zerbrochen.
    Als er Ihnen diesen Brief schrieb, war er nicht mehr er selbst."
    Wieder schwiegen sie, bis Rosalind fragte: „Und Jamshid, wurde er auch meuchlings ermordet?"
    „Nein. Jamshid wurde im Kampf getötet."
    „Und jetzt? Warum ist Samirs Leben plötzlich bedroht, wenn doch niemand wusste, dass Jamshid ..."
    „Damals wusste es niemand, Rosalind. Aber wir sind fast sicher, dass Ghasib inzwischen weiß, dass Jamshid Bahrami einer der Namen ist, hinter dem sich einer von Hafzuddins Erben verbirgt. Es ist eine glückliche Fügung des Schicksals, dass wir das Testament gefunden haben - und Sie."
    „Haben Sie jetzt Ghasib auf meine Spur gebracht?"
    „Nein. Aber er wird als Allererstes seine Leute darauf ansetzen, Nachforschungen über Jamshid anzustellen, um herauszufinden, ob er einen Erben hinterlassen hat. Wenn wir nichts unternehmen, wird er Sie und Samir mit Sicherheit finden."
    Ghasib, der von aller Welt gefürchtet wurde. Ein Mann, von dem man sagte, er habe keine Vorbehalte gehabt, seinen eigenen Bruder zu töten, suchte sie womöglich. Sie erschauerte vor Entsetzen.
    Der Hirsch war verschwunden.
    „Und was wird passieren, wenn Ghasib uns findet?" fragte Rosalind mit rauer Stimme, weil ihre Kehle plötzlich wie zuge schnürt war.
    Najib antwortete nicht und schob sie stattdessen in den angrenzenden Raum, den Sir John das kleine Frühstückszimmer nannte. Der Tisch war gedeckt, und der Butler stellte gerade die Kaffeekanne auf einen kleinen Beistelltisch neben dem Fenster. Auf dem Büfett

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