Ganz oder gar nicht
standen mehrere mit silbernen Hauben bedeckte Platten.
Najib und Rosalind setzten sich. Der Butler verbeugte sich und verließ den Raum.
Najib schenkte Rosalind Kaffee ein. Sie war immer noch wie betäubt von dem Schock, von den vielen Schocks. Der dunkelhäutige Mann, der ihr gegenübersaß, wirkte jetzt noch viel fremder als zuvor.
Najib al Makhtoum, der Enkel eines Sultans.
„Bitte beantworten Sie meine Frage", sagte sie, obwohl sie die Antwort fürchtete.
„Ghasib ist ein Wahnsinniger. Falls er zu dem Schluss kommt, dass es einen Enkel von Kronprinz Nazim gibt, dann wird er sich äußerst bedroht fühlen. Wir müssen das um jeden Preis verhin dern."
Rosalinds Tasse stieß laut gegen die Untertasse, weil ihre Hand so zitterte.
„Die Sache ist die", fuhr Najib fort, „Ghasib weiß zwar, dass sich hinter dem Namen Jamshid Bahrami einer der Erben Hafzuddins verbirgt, aber er weiß nicht genau, welcher. Vielleicht wird es uns gelingen, ihn hier in die Irre zu führen."
„Wieso kennt er den Namen?"
Najib hob die Schultern. „Das wissen wir nicht genau. Aber wenn man bedenkt, dass Ghasibs Misswirtschaft letztes Jahr zu einer schrecklichen Missernte und Hungersnot geführt hat ... Wenn man Hunger hat, dann kann es passieren, dass man seine Moral vergisst, Rosalind. Seien Sie dankbar, wenn Sie das niemals aus eigener Erfahrung lernen müssen."
Er wirkte plötzlich ganz anders, viel nüchterner und strenger. Sie fragte sich, was wohl sein Beruf war.
„Na schön, und wenn er es herausfindet, was dann?"
„Es gibt zwei Möglichkeiten. Ghasib hat keinen eigenen Sohn und noch keinen designierten Nachfolger. Falls er vernünftig genug ist, müsste er erkennen, dass es am klügsten wäre, Samir zu seinem Protege zu machen und zu verkünden, dass er selbst nur als Regent fungiert, bis Samir alt genug ist, um selbst zu regieren. Das wäre natürlich sehr vorteilhaft für ihn, denn er selbst ist alles andere als beliebt."
Najib unterbrach sich und füllte erneut ihre Tassen. Dann blickte er Rosalind so lange über den Rand seiner Tasse an, bis sie seinem Blick begegnete. „Wenn er auch noch im Besitz der al Jawadi Rose ist, des Symbols, das Samir als den rechtmäßigen Erben Prinz Kamils ausweist, dann wäre er praktisch unangreif bar."
„Und Sie meinen, dass er all das plant?"
„Es könnte sein, dass man ihn dazu bringt. Ausgestattet mit der Information, die Sie jetzt haben, Rosalind, könnten Sie sich an Ghasib wenden. Ganz sicher würde er Ihnen den Himmel auf Erden versprechen, wenn Sie nach Bagestan gehen und die Rolle der glücklichen Mutter des künftigen Sultans spielen würden.
Aber Sie müssten Ihren Sohn ihm anvertrauen. Es wäre ein großes Risiko. Auch wenn Ghasib Samir zu seinem Erben bestimmt, es gibt schon eine ganze Reihe von Neffen und Cousins, die sich um seine Nachfolge streiten. Samirs Chance, tatsächlich Sultan zu werden, wäre sehr gering."
Er sah sie wachsam an, und sie runzelte unwillig die Stirn.
„Fragen Sie mich im Ernst, ob ich zu einem Monster wie Ghasib gehen würde, um ihm meinen Sohn anzubieten?" rief sie verächtlich. „Als Gegenleistung für ... für ... ja, wofür? Für die Chance, in einem Rolls-Royce durch die Wüste zu kutschieren? Für die Chance, eines Tages Mutter des Sultans von Bagestan zu sein? Also, wirklich!"
„Es tut mir Leid. Aber woher sollte ich wissen, wie Sie auf diese Information reagieren würden?"
„Nun, wenn Sie mich so genau beobachtet haben, wie Sie sagen, müssten Sie eigentlic h bemerkt haben, dass ich meinen Sohn liebe", erwiderte Rosalind empört.
„Rosalind, die Welt ist voll von Menschen, die meinen, sie könnten mit dem Teufel gemeinsame Sache machen, ohne selbst Schaden zu nehmen."
Sie schwieg. Es stimmte ja. Najib kannte sie nicht. Und sie konnte ihm nicht einmal die wichtigste Information über Sams Existenz geben. Um Zeit zu gewinnen, stand Rosalind auf und bediente sich am Büffet. Najib tat es ihr gleich. Sie setzten sich wieder hin, und schweigend aßen sie.
„Ich muss also wählen, nicht wahr?" sagte Rosalind schließlich. „Darum geht es hier. Es gibt für mich keinen Ausweg. Ich muss mein Schicksal entweder mit Ihrem verbinden oder mit Ghasibs."
„Ja", erwiderte Najib ohne Ausflüchte.
Was für eine Ungerechtigkeit des Schicksals! Zorn stieg in ihr auf. „Nun, Sie haben gesagt, was Ghasib mir dafür zu bieten hätte. Vielleicht sollten Sie mir auch ein Angebot machen. Ich schätze, Sie haben etwas in petto."
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