Ganz oder gar nicht
zu folgen."
Das bezweifelte sie nicht. Auch sie würde sich dieses Schicksal niemals wünschen. Geistesabwesend zupfte Rosalind an dem immer noch feuchten Saum ihres Kleides. „Wie konnte er mich nur heiraten, ohne mir etwas davon zu sagen? Warum hat er nicht..."
„Das kann niemand beantworten. Vielleicht hielt er es für seine Pflicht, Sie zu seiner Frau zu machen, weil Sie schwanger waren."
„Aber warum nur hat er mir nichts gesagt? Er hat nie auch nur die kleinste Andeutung ..."
„Hätten Sie ihn dann denn noch geheiratet?" fragte Najib.
Sie sah ihn verblüfft an, bevor sie den Blick abwandte. „Ich weiß nicht ... Ich liebte ihn, aber wenn man damit hätte rechnen müssen, dass er eventuell eines Tages Sultan sein würde ..." Rosalind schüttelte den Kopf. Sie war sehr auf ihre Privatsphäre und ihre persönliche Freiheit bedacht. „Ehrlich gesagt, ich hätte es schrecklich gefunden."
Najib sah sie an. Er verstand seinen Cousin nur zu gut, aber er wollte Rosalind nicht verraten, über welch magische Anzie hungskraft sie verfügte und dass ihre Schönheit in einem Mann das Verlangen wecken konnte, sie an sich zu binden, egal, was das für die Zukunft bedeuten mochte.
„Vielleicht hat er deswegen nichts gesagt", entgegnete er auf ihre Bemerkung.
Rosalind stand auf und blickte aus dem Fenster. „Sultan Hafzuddin hatte drei Frauen, nicht wahr?"
„Ja."
„Was wissen Sie über sie?"
Er begann zügig zu erzählen. „Rabia, seine erste Frau, eine Quarishi, entstammte der königlichen Familie von Barakat. Sie hatte zwei Söhne, Waf iq und Safa. Sonia war Französin, sie hatte drei Mädchen, Muna, Zaynah und Yasmin. Maryam, seine dritte Frau, war eine Durrani und verwandt mit der königlichen Familie von Parvan. Sie war die Mutter von Nabila und Nazim. Sie wissen ja bereits, Nazim war Hafzuddins Liebling und dafür bestimmt, seine Nachfolge anzutreten."
Rosalind stand mit dem Rücken zu ihm, blickte Najib jetzt je doch über die Schulter an.
„Meine Mutter ist Yasmin", beantwortete er ihre unausgesprochene Frage. „Meine Großmutter ist Sonia, Hafzuddins französische Frau."
Rosalind konnte die Anspannung kaum noch ertragen. Sie atmete ganz bewusst einmal tief ein und wieder aus. Durchs Fenster sah sie, wie ein Hirsch vorsichtig witternd aus dem Wald trat.
Najib sprach mit ausdrucksloser Stimme weiter. „Mein Groß
vater hatte außerdem noch einen
Adoptivsohn, sein Name war Ghasib. Vielleicht haben Sie von der Geschichte gehört. Mein Großvater sah ihn eines Tages auf der Straße. Ghasib spielte Krieg mit anderen Jungen. Er war ein Waisenkind, das aus den Mülltonnen lebte, und beeindruckte meinen Großvater mit seinem resoluten Selbstbewusstsein. Mein Großvater adoptierte den Jungen, schickte ihn zur Schule und ließ ihn militärisch ausbilden." Ein klein wenig war Najibs Stimme die Wut und Verbitterung nun doch anzuhören. „Nur in Loyalität wurde er nicht ge schult. 1969 wurde Ghasib, der Mann, der sich jetzt selbst Staatspräsident von Bagestan nennt, von meinem Großvater zum Oberbefehlshaber der Armee ernannt. Sie müssen das alles von Ihrem Studium her wissen."
„Ja." Rosalind kannte die Geschichte des Landes, allerdings nur aus Büchern. Nicht als die Geschichte der Familie ihres verstorbenen Mannes.
Ghasib war zwar elternlos, hatte jedoch einen Bruder und eine Vielzahl von Vettern. Im Lauf der Zeit hatte er sie alle mit hohen militärischen Ämtern ausgestattet. So kam es, dass sich am Tag des Umsturzes fast das gesamte Militär Ghasib gegenüber loyal verhielt.
Kronprinz Nazim war einer der Ersten, die getötet wurden. Prinzessin Hana tat, als wäre sie eine Dienstbotin, und versteckte sich unter den Wäscherinnen. Erst nach einer Woche gelang ihr die Flucht aus dem Palast. Ihren Sohn, der ja noch ein Baby war, hatte sie in ein Bündel Wäsche gehüllt.
Prinzessin Hana war ihre Schwiegermutter. Rosalind konnte es immer noch nicht fassen.
„Aber da gibt es noch einiges, das nicht in den Geschichtsbüchern steht", fuhr Najib nun fort. „Kurz nach dem Staatsstreich wurde Safa ermordet. Um seine übrig gebliebenen Erben zu beschützen, ordnete mein Großvater an, dass die gesamte Familie sich falsche Namen zulegen und untertauchen sollte. Hana ging in die Berge, nahm den Namen eines Stammes an, der den Durrani freundschaftlich verbunden war, und Kamil Durrani ibn Nazim al Jawadi Bagestani wurde zu Jamshid Bahrami, als er vier Jahre alt war."
Immer noch beobachtete Rosalind
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