Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
hierher reisen seine Jünger, auch die Medienleute aus aller Welt. Hierher sind auch die Journalisten von der berühmten Neuen Zürcher Zeitung einmal gepilgert, und es war, so schrieben sie, ein »Auftritt wie aus einem Werbespot«, als er erschien, Dietrich Mateschitz, der Gründer von Red Bull: »Bevor Dietrich Mateschitz seinem Range Rover entsteigt, nimmt er noch einen Schluck aus der silberblauen Dose, die ihn zum Milliardär gemacht hat. Der fast einen Meter neunzig große Mann eilt durchs Schneegestöber zum Eingang seines Glaspalastes ›Hangar 7‹. Mateschitz begrüßt die adretten Empfangsdamen, schaut mit breitem Lachen hinüber zu den Gästen in der l, schüttet da noch schnell eine Hand und dort eine.«
Red Bull ist seine Schöpfung, und vor allem die Aura um Red Bull, die so mächtig ist, dass die Schattenseiten praktisch verschwinden, der Zucker zum Beispiel, den er mit der silberblauen Dose in die Welt bringt, über 100 000 Tonnen im Jahr. Über den redet niemand, aber alle reden von den Red-Bull-Helden wie jenen Felix Baumgartner, den Mann, der mit Überschallgeschwindigkeit aus dem Himmel fiel. Oder von Sebastian Vettel, den sympathischen Formel-1-Weltmeister. Von den Fußballclubs, die Red Bull unterstützt, sie heißen Red Bull Salzburg und Red Bull Leipzig, Red Bull Brasil und New York Red Bulls.
Das ist die Welt von Red Bull.
Red Bull unterstützt aber auch das Krankenhaus in Salzburg. »Sie engagieren sich auch für die medizinische Forschung«, sprach anerkennend der Reporter von der Neuen Zürcher Zeitung. Und Mateschitz entgegnete: »In Salzburg ist bekannt, dass ich mich für die private medizinische Fakultät engagiere. Wir haben hier bloß ein Landeskrankenhaus und somit keine medizinische Fakultät. Dank der privaten Initiative haben wir nun auch in Salzburg Forschungsaufträge, erstklassige Wissenschaftler und Ärzte.«
In dem Krankenhaus, das Red Bull unterstützt, wird an den drängendsten Problemen geforscht, die die Welt derzeit kennt. Eines der Forschungsteams dort, in der Kinderabteilung, leitet Dr. Daniel Weghuber, ein junger Arzt, der so aussieht, als ob er sehr gut in die Welt von Red Bull passen würde. Er trägt ein weißes Hemd, eine weiße Hose, eine randlose Brille. Schwarze Haare, leicht grau meliert. Dr. Weghuber ist Privatdozent, er ist schlank und sportlich, fährt jeden Tag mit dem Fahrrad ins Büro, zehn Kilometer hin, zehn zurück, dazu noch in der Freizeit, macht insgesamt 10 000 Kilometer im Jahr.
Weghuber behandelt die dicken, kranken Kinder und erforscht, wie ihnen zu helfen wäre. Denn mit ihren bisherigen Methoden sind die Ärzte an Grenzen gestoßen. Sie wissen natürlich, dass es am besten wäre, wenn die Kleinen die Finger lassen würden von all dem süßen Zeug, das sie schon innerlich verfetten lässt. Doch, so sagt Dr. Weghuber: »Unser Umfeld ist schlicht und ergreifend so, dass es die Leute nicht schaffen.« Und so suchen sie nach neuen Wegen, zusammen mit Ärztekollegen in mehreren europäischen Ländern, auch eine Pharmafirma ist dabei, sie wollen neue Medikamente entwickeln, mehrere Millionen kostet das Forschungsprojekt.
Wie der Krankenhaus-Mäzen dazu steht, war in Salzburg nicht zu erfahren: »Ein Interview mit Herrn Mateschitz ist leider aus Zeitgründen nicht möglich«, teilte eine Red-Bull-Sprecherin auf Anfrage mit. Das ist schade. Denn die Welt von Red Bull ist offenbar nicht nur sehr aufregend, sie ist auch sehr aufschlussreich, da in ihr beide Seiten vorkommen, das süße Produkt und die bitteren Folgen.
Beide Seiten gehören zusammen, sie bilden sozusagen ein System, das auch ein wirtschaftliches System ist, von globaler Bedeutung. Der Zucker ist dabei die wichtigste Substanz. Kein anderer Nahrungszusatz wird in solchen Mengen eingesetzt. Der Zucker ist der Humus, der Geschäfte aufblühen lässt. Kein anderer Stoff sorgt für solche Gewinne. Und dennoch wird erstaunlich wenig Aufhebens um ihn gemacht, auf beiden Seiten, in beiden Teilen des Geschäfts.
Auf der einen Seite steht das Süße, in den verschiedensten Produkten, in den vielen alltäglichen Lebensmitteln, den Frühstücksflocken, natürlich den Süßigkeiten, Schokoriegeln, Bonbons, Keksen und vor allem den Softdrinks, wie auch Red Bull einer ist und Coca-Cola, sie sind dabei sicher die erfolgreichsten, auf der ganzen Welt zu haben, jedes Kind kennt sie. Das ist natürlich eine ganz besondere Leistung, so weit zu kommen, und auch ein einträgliches Geschäft
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