Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Traubenzucker, eher wie Alkohol. Fruktose kann deshalb auch die gleichen Erkrankungen verursachen wie Alkohol. Das sind zum Beispiel Leber- oder Herz- und Kreislaufschäden.« Fruktose mache zwar nicht abhängig, sei aber allgegenwärtig in Fertiglebensmitteln, sein Konsum praktisch unvermeidbar. Ein erster Schritt könne sein, das Süßungsmittel von der Liste der als sicher angesehenen Zutaten (GRAS-Liste, s. S. 248) zu streichen. Dann dürfte die Industrie ihren Produkten nicht mehr beliebige Mengen Fruktose zusetzen.
Den Apfel will natürlich auch er nicht von der Liste sicherer Lebensmittel streichen. Auch Lustig kritisiert nur die industrielle Variante, nicht aber den echten Fruchtzucker aus dem Obst: »Wenn Sie Obst essen, dann nehmen Sie den Fruchtzucker immer zusammen mit pflanzlichen Fasern auf. Diese Ballaststoffe sorgen dafür, dass nicht so viel Zucker verstoffwechselt wird und ins Blut übergeht. Die Fasern sind wie ein Gegengift: Sie verhindern eine Überdosierung von Fruktose im Körper. Wir haben sehr spezifische Daten, die zeigen: Wenn man Zucker zusammen mit Ballaststoffen einnimmt, dann ist das nicht schädlich.« Jedenfalls dann, wenn man die Früchte nicht im Übermaß isst. Davor sind wir eigentlich von Natur aus geschützt, weil jeder irgendwann der Früchte überdrüssig wird.
Früher herrschte, was heute überraschend klingt, sogar eine generelle Skepsis gegenüber dem Obst. Interessanterweise waren die Menschen von einer »alten Angst vor Früchten« geplagt, sagt der US-Anthropologe Sydney W. Mintz: »Die einfache Bevölkerung fürchtete die Auswirkungen von frischem Obst« sehr, es galt sogar, »in großen Mengen verzehrt, als gefährlich«. Die Obstangst erstreckte sich sogar noch auf die Marmelade. Die Abneigung gegen frisches Obst ging offenbar auf die alten Römer zurück, den berühmten Arzt Galen (129–199). Und die im Sommer häufigen Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern, die noch im 17. Jahrhundert nicht selten tödlich verliefen, verstärkten die Furcht vor Frischobst sicherlich noch.
Mittlerweile ist die Furcht überwunden, manche Menschen essen sogar mehr Obst, als ihnen guttut – nur weil es die Ernährungsberater so empfohlen haben. So kommt die Fruktosekrankheit, an der auch Willi Rust leidet, unter anderem bei solchen Menschen vor, die sich besonders richtig ernähren wollen und sich dabei nicht nach Lust und Appetit richten, sondern nach den Empfehlungen der Ernährungsberater. Das jedenfalls behauptet die Hamburger Ernährungsberaterin Christiane Schäfer im Zentralorgan ihrer Zunft, der Ernährungs-Umschau. Die »gängigen Ernährungsempfehlungen« hätten dazu geführt, dass in den letzten Jahrzehnten »die Fruktoseaufnahme gestiegen« sei. Vor allem der gesteigerte Obstverzehr, aber auch die übrigen Ernährungsdogmen wie etwa die fettarme Kost begünstigten die Entstehung von Blähungen und eine schlechte Fruktoseaufnahme.
Zu den Gesundheitsaposteln hatte Willi Rust eigentlich nicht gehört, zu den Softdrink-Kids natürlich erst recht nicht. Bei ihm war es vermutlich jenes Frühstück im Urlaub, bei dem er ein paarmal zu oft zugegriffen hat. Vermutlich war sein Körper auch zuvor schon angegriffen. Vielleicht hat es nur noch einen Auslöser gebraucht, und das war dann das, was er in jenem Restaurant bestellt hatte, im Urlaub auf Gran Canaria.
Willi: »Gran Canaria, ja, was war da? Wir hatten drei Wochen gebucht. Eine Woche Januar und zwei Wochen Februar. Wir sind nach etwa einer Woche hellhörig geworden, in Playa del Ingles, dass es doch immer mehr flott wegging und öfter.«
Agnes: »Du hast zum Frühstück sehr viel Backpflaumen gegessen.«
Willi: »Backpflaumen, Honig.«
Agnes: »Die waren auch irgendwie so toll angemacht, eingelegt. Schmeckten phantastisch, ich hab drei oder vier gegessen, aber mein Mann hat acht oder zehn gegessen. Vielleicht hat es das in Gang gebracht. Es steht überall, ist nicht gut, Trockenpflaumen. Und das hat sich dann auch gesteigert. So sind wir nach Haus gekommen. Und dann haben wir erst abgewartet, dann sind wir zu unserer Heilpraktikerin nach Osnabrück immer. Und da das auch nichts geholfen hat, fahren wir nach Exter.«
Die Darmklinik in Exter sieht aus wie ein kleines Schlosshotel auf dem Lande. Rote Klinker, blaue Markisen, grüner Rasen. Bäume am Eingang und Säulen auf der Rückseite, an der Terrasse. Im Erdgeschoss liegen die Räume für die medizinischen Behandlungen. Überall im Haus hängen Bilder an den
Weitere Kostenlose Bücher