Garantiert gesundheitsgefährdend: Wie uns die Zucker-Mafia krank macht (German Edition)
Beispiel im Herta Natürlicher Genuss Röstschinken oder dem Schwarzwälder Schinken vom Tannenhof. Auch die Feine Teewurst, Marke Rügenwalder – eigentlich eher Zuckerwurst.
Die ganz normalen Sachen enthalten beim genaueren Hinsehen plötzlich Zucker, die Dose mit Maggi Ravioli »in pikanter Sauce«, die Pfanni Semmelknödel Der Klassische, die Maggi Buchstabensuppe auch und die 5-Minuten-Terrine Gulasch-Topf, die Knorr Fix Hackbällchen Toscana. Die ganzen Klassiker der Industrienahrung: Alles wird unmerklich versüßt. Die Pizza, wie die Original Wagner Steinofen Pizza Salami. Der Fisch, wie das Iglo Schlemmer-Filet Picante mit der Aufschrift »100 Prozent Filet« – der Zucker steht nur im Kleingedruckten. Neuerdings sogar die Suppenliebe Hühnersuppe von Knorr, Slogan: »Guter Geschmack ist unsere Natur«, mit dem Versprechen: »Natürlich ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe«. Der Zucker zählt da ja nicht.
Da scheint es plausibel, wenn Experten schätzen, dass nahezu jedes zweite Nahrungsmittel im Supermarkt irgendeine Form von Zucker enthält.
Auch die edel anmutenden Luxusprodukte. Die Lacroix Geflügel-Consommee »a la volaille«, die Escoffier Tomaten-Creme-Suppe Provence. Ebenso die Rewe Feine Welt Pilz Harmonie Cappelletti mit cremig zarter Ricotta-Pilz-Füllung. Oder Rewe Beste Wahl Pasta Sauce Schinken-Sahne mit feinen Kräutern, im Plastikbeutel.
Auch wenn es, wie neuerdings modisch, frei sein will, fleischfrei, glutenfrei, laktosefrei – Zucker ist dennoch dabei, beim Veggie Life Veggie Bratknacker 7 vegetarische Würstchen (»Fleischlos Glücklich«), sogar bio, aber mit Zucker, ebenso ist der Kartoffelsalat Laktosefrei aus der Rewe-Reihe »Frei von« natürlich nicht frei von Zucker.
Wer dann abends ein Schöfferhofer Grapefruit Hefeweizen-Mix zischt und dazu Funny-frisch Erdnuss Flippies knabbert, kriegt noch eine späte Dosis Zucker.
Angesichts des überbordenden Angebots und der immer phantasievolleren Verstecke des Zuckers stellt sich natürlich auch die Schuldfrage neu.
Bisher galt: Die Leute sind selbst schuld, wenn sie zugreifen und zu viel Süßes essen. So verkünden es bisher alle, nicht nur die Firmen, auch die Professoren, die Regierung, sogar die Verbände der Zuckerkranken. »Wer nascht, weiß, was er tut«, sagte Andreas Land, der Chef der Keksfabrik De Beukelaer (»Prinzenrolle«) in der Lebensmittelzeitung: »Süßes ist ein Teil der Lebensfreude.«
Jetzt nascht aber plötzlich auch der, der das eben nicht weiß, der nur einen Schweinegulasch von Rewe essen will oder die vegetarischen Würstchen. Der Zucker wurde ihm einfach untergejubelt, und nur winzig klein hinten auf dem Etikett wird darauf hingewiesen. Nur knapp 17 Prozent des Zuckers, den die Deutschen verspeisen, kaufen sie selbst im Laden. 83,1 Prozent verzehren sie als zugesetzten, häufig auch »versteckten Zucker«, wie das Robert Lustig nennt: »Hier liegt das Problem. Es geht hier um den Zucker, den die Lebensmittelindustrie ihren Produkten zusetzt. Vorgeblich, damit sie besser schmecken. Tatsächlich aber, damit sie sich besser verkaufen.« Er sieht den Zucker als Teil einer »giftigen Umgebung«, die den Menschen ein Angebot aufdrängt, das sie sogar abhängig macht. Denn die ständige Zuckerzufuhr verändert die Verschaltungen im Gehirn.
Lustig: »Der Punkt ist, dass wir es bei anderen Suchtmitteln sehr schwergemacht haben dranzukommen. Beim Zucker ist es sehr einfach. Deshalb ist es sehr schwer, die Menschen von so einer suchterzeugenden Substanz loszubekommen.«
»Und wer ist schuld?«
Lustig: »Jeder nimmt an, dass Sie eine Wahl hätten. Aber wenn das Hirn hungert, haben Sie keine Wahl. Und wenn Sie keine Wahl haben, haben Sie auch keine Schuld.«
»Eine gute Ausrede.«
Lustig: »Niemand setzt Ihnen eine Pistole an den Kopf. Aber: Wenn Ihr Gehirn kein Sättigungssignal bekommen kann, haben Sie keine andere Wahl, als zu essen. Es ist keine freiwillige Entscheidung. Es ist ein biochemischer Ablauf.«
»Ich werde von Zucker also abhängig wie von Alkohol?«
Lustig: »Sie können. Nicht jeder muss. Es gibt viele Leute, die viel Zucker essen und trotzdem nicht süchtig werden. Genauso wie es viele Leute gibt, die von Zucker sehr süchtig werden.«
Das süße Leben – das war bisher eigentlich der Inbegriff des schönen Lebens. Süßigkeiten, Bonbons, Schokolade, sie gelten als Genussmittel, die sollen das Leben versüßen, die Stimmung aufheitern. Deshalb lieben ja alle das
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