Garantiert wechselhaft
giftigen Blick zu. «Ich erzieh mei Dochder nämlich g’scheid. Ned, dasse nachher auch mal so ausschaut.»
Ich lächelte dünn zurück und sehnte mich nach Gundis Küchentisch. Unsere alte Nachbarin war anscheinend die Einzige, die uns so akzeptierte, wie wir waren.
Am Nachmittag richteten wir Maries Zimmer fertig ein. Ihre verschnörkelten Berliner Möbel passten so gut in diese Dachkammer, die trotz der roten Wände und schwarzen Vorhänge nicht düster wirkte, dass ich fast ein wenig neidisch wurde. Marie hatte einfach einen guten Geschmack.
Sie baute ihr messingbeschlagenes Fernrohr unter dem Fenster auf und trat zur Tür, um den Anblick auf sich wirken zu lassen.
«Wie ein Traum aus einem Steampunk-Comic», sagte sie zufrieden. «Genau, wie ich es wollte.»
«Dann hoffe ich, dass dies hier auch in deinem Sinne ist.» Ich zog eine längliche Schachtel aus der Tasche meiner Strickjacke und gab sie Marie.
«Was ist das denn?»
«Etwas zum Neuanfang», sagte ich.
Marie setzte sich auf das Bett, entfernte das Geschenkpapier und öffnete die Schachtel. «Boah!» Sie sah mich mit leuchtenden Augen an. «Ist das schön!» Vorsichtig nahm sie das dreigliedrige, mit rosengeschliffenen Granaten besetzte Silbercollier in die Hand und bewunderte es von allen Seiten. «Wo hast du das denn her?»
«Es ist ein Erbstück», sagte ich und freute mich wie eine Schneekönigin über ihr strahlendes Gesicht. «Ich habe es von meiner Mutter bekommen, und jetzt ist der richtige Moment gekommen, es an dich weiterzugeben.»
Marie sprang auf und umarmte mich stürmisch. «Du bist die liebste Mutter der ganzen Welt», sagte sie.
Vorsichtig legte ich ihr das Collier um den Hals und stellte mich mit ihr vor den Spiegel. «Möge es dir Glück bringen, mein Schatz», sagte ich leise.
Marie gab mir einen Kuss. «Uns beiden. Dann kriegen wir alles hin. Wetten?»
Ich lachte. «Wette angenommen!»
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Sechs
Die Vorhersage für Montag, den 31. März:
Nach ersten Problemlösungen heiter bis erfreulich. Gegen Abend vereinzelte Geistesblitze.
Der Montagmorgen begann mit einer Überraschung. Nach einer Nacht, in der ich immer wieder von einem laut krakeelenden Hahn aus dem Schlaf gerissen worden war, stand Mario bereits kurz nach sieben bei uns vor der Tür. Leicht geschminkt, mit schwarz gefärbten Haaren.
«Ist Marie schon fertig?», fragte er. Und bevor ich bis drei zählen konnte, hatte meine Tochter sich von einem gähnenden Schlafmonster in einen fröhlichen Teenager verwandelt und fuhr nach einer kurzen Verabschiedung hinten auf Marios Vespa davon.
«Ist ja schön, dass sie schon jemanden kennt und ihrer eigenen Wege geht», sagte ich zu Crowley. «Aber ich hätte mich gefreut, wenn sie es mir vorher erzählt hätte. Immerhin war ausgemacht, dass ich sie am ersten Tag zur Schule fahre und nicht dieser Knabe.»
Andererseits konnte ich nun in Ruhe einen weiteren Morgenkaffee zu mir nehmen und dazu einen Blick in die Zeitung vom Wochenende werfen, die diesmal keine Löcher im Regionalteil aufwies. Dafür mehrere Fotos von der Feuerwehrjubiläumsfeier im Nachbardorf.
Schön zu wissen, dass die Feuerwehr sich so gut um alles kümmerte. Dabei fiel mir ein, dass bei mir eine gewisse Brennflüssigkeit fehlte. Ich suchte Christians Zettel heraus und wählte die Nummer der Heizölfirma, wild entschlossen, mich bei dieser Gelegenheit bis auf die Knochen zu integrieren.
Das Telefon klingelte drei Mal, dann meldete sich eine ältere Frauenstimme mit einem langgezogenen «Jaaa?».
Ich flehte die Grüß-Götter an, dass ich niemanden von der Schnepfenbande am Rohr hatte, und räusperte mich. «Guten Morgen, ich hätt gern a weng a Heizöl beschdellt», begann ich in meinem besten Fränkisch.
«Jaaa?»
«Und würd mich fei freuen, wenn Sie bald liefern könndn, wir hamm nämlich, äh, fei keinen Dropfen mehr im Dank.»
«Jaaa?»
Ein bisschen einseitig war das Gespräch schon, aber immerhin schien die Frau mich zu verstehen. Ich legte noch einen Zacken zu. «Hamm S’ denn a weng a Ahnung, wann Sie des liefern könnten?»
Ein weiteres «Jaaa?» nahm seinen Anlauf, doch nun mischte sich eine jüngere Stimme ein. «Was machst du denn da, Oma?»
Es folgte allerhand Geraschel, anscheinend gab Oma den Hörer nicht freiwillig aus der Hand. Dann fragte die junge Stimme: «Hallo, wer ist denn da?»
«Ich möchte fei gern a weng a Heizöl beschdelln», wiederholte ich meinen Text.
«Was ist mit dem Heizöl?» Die
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