Garantiert wechselhaft
Stimme klang genervt. «Könnten Sie bitte etwas deutlicher sprechen? Ich bin nur die Vertretung und verstehe Ihren Dialekt nicht.»
«Kein Problem», sagte ich, stolz, als Fränkin durchgegangen zu sein. «Ich möchte gerne Heizöl bestellen. Und es wäre dringend, denn ich habe keinen Tropfen mehr im Tank, und wir frieren.»
«Du meine Güte. Dann sehe ich zu, dass morgen gleich geliefert wird», sagte die junge Frau. «Sagen Sie mir bitte Ihre Adresse?»
Das tat ich nur zu gerne. Nach dem Auflegen lehnte ich mich zufrieden zurück. Bestimmt würde heute ein richtig guter Tag.
Von meinem Erfolgserlebnis beschwingt, sammelte ich die erforderlichen Papiere zusammen und fuhr nach Hedelbach, um Marie und mich im Rathaus anzumelden.
Ich hatte einen dicken Schmöker eingesteckt, um mir die Wartezeit zu verkürzen, doch das stellte sich als überflüssig heraus. Die verschiedenen Ämter, für die man in Berlin mehrere Hochhäuser brauchte, passten hier in drei Zimmer. Außerdem war ich heute Morgen die einzige Bürgerin weit und breit. Ich klopfte bei der mittleren Tür, hinter der man laut Beschriftung für Anmeldung, Ummeldung, Geburtsbeurkundung, Fischereiabgabe und Fundsachen zuständig war.
«Ja?»
Beim Eintreten sah ich, dass drinnen die Türen zu den Büros links und rechts weit offen standen. «Grüß Gott, ich möchte meine Tochter und mich anmelden.»
Die Sachbearbeiterin, laut Tischschildchen eine gewisse Geraldine Popp, musterte mich über den Brillenrand hinweg und nahm gelangweilt die Ausweise entgegen. «Wo sinn’s denn hingezogen?»
«Nach Wiestal.»
«Aha.» Sie rief das zuständige PC-Programm auf und fing träge an zu tippen. «Nina Lindner, Tochter Marie Lindner …» Wieder ein Blick über den Brillenrand. «Gadde?»
Nix Gatte. «Geschieden.»
«Aha.»
«Adresse?»
«Hauptstraße 44.»
Diese Info weckte schlagartig ihre Lebensgeister. «Des is doch der Gasthof!»
«Ja, den habe ich von meinem Onkel geerbt.»
«Und Sie ziehn do ein?»
«Deshalb bin ich hier.»
«Ich werr verrüggt. Moni! Gisi! Da ist fei die Frau, die den Gasthof in Wiesdal gegricht hat!»
Plötzlich war ich die Sensation des Tages. Moni und Gisi kamen von links und rechts angerannt, stellten sich hinter die Kollegin Popp und schauten mich neugierig an.
Ich unterdrückte das heftige Bedürfnis, ihnen einfach die Zunge herauszustrecken, und schaute möglichst freundlich zurück.
«Dessisserawahnsinn!», meinte die korpulente Blonde im lachsfarbenen Twinset. «Des werd manchen aber gar ned bassen, gell, Moni?» Sie zog vielsagend die Brauen hoch.
«Des kannst glauben», brummte Moni. «Dann hamm Sie wohl die schwarz g’färbte Dochder, die so ausg’fallne Glamoddn anhat?»
Die Buschtrommeln funktionierten also auch in Hedelbach. «Ja, meine Tochter hat einen eigenen Stil», sagte ich. Und während ich überlegte, ob ich weitere Infos preisgeben oder die Damen selber sammeln lassen sollte, fiel mir ein, wo der Name Geraldine mir schon mal untergekommen war. Und beschloss, es darauf ankommen zu lassen.
Ich stützte mich auf den linken Ellbogen und beugte mich vor. «Was mich aber mal interessieren würde, Frau Popp. Wie ist das jetzt mit Ihrem Haus? Übernehmen Sie sich tatsächlich mit der ganzen Sache, oder bildet sich die Familie das nur ein?»
Was leicht als Rohrkrepierer hätte enden können, schlug ein wie eine Bombe.
«Woss?» Frau Popp sah mich mit offenem Mund an. «Wer haddn des behaubtet?!»
Moni wusste die Antwort sofort. «No wer scho? Des kann bloß der Georch g’wesen sein!» Sie sah mich fragend an. «Gell?»
«Genau, so einer mit Halbglatze. Etwas cholerisch veranlagt, mit einer kleinen Tochter.» Ich musste mich zusammenreißen, nicht vor Freude in die Hände zu klatschen.
«No freilich! Und die Glaa heißt Nigoll!»
Ich nickte bestätigend. «Das war er.»
«Der Mistkerl …» Frau Popp atmete schwer. «Der kann sich fei auf was g’fasst machen!»
Moni tätschelte ihre Schulter. «Du gehst etzt amol in mei Zimmer, rufst den Georch an und machst’n rund. Derweil duu ich hier die Frau …» Sie schielte auf den Monitor. «… die Frau Lindner anmeld’n. Gell?»
In den nächsten zehn Minuten konnte ich zwei Punkte auf meiner To-do-Liste abhaken. Während Geraldine dem Georch die Meinung geigte, bekam ich eine schöne Tasse Kaffee und wurde samt Marie eingebürgert. Und dank meines Insidertipps kümmerten sich Moni und Gisi auch noch um mein Sperrmüllproblem, ohne dass ich dafür
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