Garantiert wechselhaft
spezialisiert, denn viele Werke zeigten die Täler und Hochflächen der fränkischen Schweiz, mal bei untergehender, mal bei aufgehender Sonne.
«Das ist ja toll!», rief ich, ehrlich beeindruckt. «Wo hast du denn das gelernt?»
Gustl, der schüchtern in der Tür stehen geblieben war, zeigte auf einen kleinen Fernseher mit Videolaufwerk.
«Vom Bob Ross.»
Im ersten Augenblick wusste ich nicht, was er meinte. Doch als ich den lächelnden Mann mit Afrofrisur auf den Kassettenhüllen sah, erinnerte ich mich an Bob Ross’ Sendung, an der ich manchmal beim nächtlichen Zappen hängen geblieben war. «We don’t make mistakes, we just have happy little accidents», sagte er, wann immer ihm auf einem seiner quietschig bunten Bilder der Pinsel ausrutschte.
Gustl liebte es genauso farbenfroh wie Bob, hatte aber auch tatsächlich etwas drauf.
Ich sah mich bewundernd um. «Du bist ja ein richtiger Künstler!», rief ich und zeigte auf das verhüllte Bild auf der Staffelei. «Und was versteckt sich da drunter?»
«Des is a G’schenk für dich!» Mit schwungvoller Geste zog Gustl das Tuch von der Leinwand und ging abwartend einen Schritt zurück.
Mir stockte der Atem. Denn da war ich.
Jedenfalls in etwa.
So gut er auch Landschaften malte, Porträts gehörten nicht zu Gustls Stärken. Obendrein hatte ich meinen Platz erst nachträglich vor diesem dramatischen Jurapanorama gefunden. Auf meiner Stirn schimmerten zwei Tannen durch, und unter der linken Wange verlief eine zackige Felskante, die an den Schmiss einer schlagenden Verbindung erinnerte. Auch meine Nase war apart. Sie war so oft übermalt worden, dass sich fast ein 3-D-Effekt ergab.
«Das ist ja …» Skurril? Gespenstisch? «Großartig!», presste ich hervor.
Gustl strahlte nun über beide Wangen. «Ja?»
Ermutigt von meinem Lob, zeigte er mir nun auch die Skizzen, die zu diesem Meisterstück geführt hatten.
«Und das hast du alles aus dem Kopf gezeichnet?» Wider Willen war ich beeindruckt.
«Naa! Die Marie hat mir a Foddo von dir geben.»
Ach was …
Marie war noch nicht ganz zur Tür herein, als ich sie zur Rede stellte. «Meinst du, es wäre möglich, dass ich in Zukunft vorher erfahre, wem du Fotos von mir schenkst?»
«Meinst du Gustl?» Marie pfefferte ihren Rucksack in den Flur. «Das war doch nur geliehen. Wieso?»
«Schau mal in die Küche.»
Kurz darauf hörte ich sie schallend lachen.
Gemeinsam betrachteten wir Gustls Geschenk. «Und was mache ich jetzt damit?»
Marie sah mich verschmitzt an. «Vielleicht können wir es in den Garten stellen. Ich bin mir sicher, dass dieses Meisterwerk die Schnecken in die Flucht schlägt.»
Die Schnecken … Ich hatte schon oft Berichte von Gartenbesitzern gelesen, die diese Tierart in den Wahnsinn getrieben hatte. Mir war ihre Existenz bisher herzlich egal gewesen, denn in Berlin hatten Schnecken ähnlich oft meinen Weg gekreuzt wie ungebundene Männer, die keinen an der Klatsche hatten.
Nachdem ich vor ein paar Wochen die Beete vom Unkraut befreit und liebevoll erste Salatsetzlinge eingepflanzt hatte, war jetzt aber doch die Stunde gekommen, mich mit diesen ekligen Biestern zu beschäftigen. Und zwar in dem Moment, in dem ich feststellen musste, dass von meinen Pflanzen nur armselige Reststummel übrig geblieben waren. Da war eine militante Seite in mir erwacht, die ich bisher nicht gekannt hatte.
Ich hatte neue Pflanzen gekauft und mich in der Dämmerung auf die Lauer gelegt, um mit einem alten Küchenmesser zuzustechen, sobald einer dieser glibberigen Blattvernichter angekrochen kam.
Als Marie aber ausgerechnet an jenem Abend Interesse an den Fortschritten bei Zucchini & Co bekundete und bei mir im Garten aufkreuzte, schwante mir, dass mein Problem gleich noch eine weitere Facette bekommen würde.
Und so war es. Kaum hatte ich den ersten Feind zur Strecke gebracht, schrie meine Tochter entsetzt auf. «Du Mörderin! Du kannst die Tiere doch nicht einfach umbringen!»
«Auge um Auge», sagte ich grimmig. «Die haben schließlich unsere Salatbabys gekillt. Die neuen hier werden sie nicht bekommen.»
«Aber deswegen musst du sie doch nicht gleich töten!»
Ich seufzte. «Okay», sagte ich. «Ich kaufe Schneckenzäune. Aber du hilfst mir, sie einzubuddeln. Und danach bist du für das Wohl der Pflanzen zuständig. Einverstanden?» Ich streckte ihr meine Rechte entgegen.
«Einverstanden!»
Seitdem hatte Marie sich vorbildlich um die Beete gekümmert, und der einzige Schädling, der sich noch
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