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Garantiert wechselhaft

Garantiert wechselhaft

Titel: Garantiert wechselhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fanny Wagner , Carolin Birk
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hinauszuzögern, sah ich mir in aller Ruhe die Modelle an, die die Viererbande bereits vor meiner Ankunft hergestellt hatte und die nun vor der Bühne an einer Kleiderstange hingen.
    Besonders angetan war ich nicht. In meinen Augen waren die Klamotten ziemlich bieder, trotz greller Farben und Muster. Ich war mir ziemlich sicher, dass selbst Gundi sich geweigert hätte, in einem der Teile aus dem Haus zu gehen. Ob es für diese Art Kleidung überhaupt einen Markt gab?
    Soweit ich es beurteilen konnte, war Bärbel die Einzige, die ein Gespür für Farben hatte. Leni und Claudia trugen gelegentlich perfekt selbstgenähte, aber uninspirierte Sachen, und Rosis Outfit konnte sich zwar sehen lassen, aber sie trug, wie so viele Frauen, die sich dick finden, zu weite Teile und sah dadurch erst recht kompakt aus.
    Egal. Solange sie Miete bezahlten, sollte das nicht meine Sorge sein. Ich setzte mich an den Computer, um wie versprochen das Protokoll der Besprechung ins Reine zu schreiben.
    Das war schnell erledigt, doch als ich den Text vor dem Speichern überflog, bemerkte ich, dass ich jedes Mal Schreinerei statt Schneiderei geschrieben hatte. Oha. Irgendwie machte ich in der Disziplin Nicht an Christian denken keine nennenswerten Fortschritte.
    Dabei arbeitete ich ständig daran. An manchen Tagen war ich sogar richtig gut. Aber wenn er dann wieder direkt vor mir stand, war das ganze Training umsonst. Mein Blutdruck spielte verrückt, wilde Visionen jagten durch meinen Kopf, und ich fühlte mich wie ein Teenager, der zum ersten Mal verknallt ist. In diesen Fällen bemühte ich mich, die Phantasien wenigstens einigermaßen in Schach zu halten.
    «Gustl, Gustl, Gustl», sagte ich jetzt betont langsam, und sämtliche Gefühlswallungen brachen im Nu in sich zusammen. Na also, Gift – Gegengift. Funktionierte doch bestens.
    Ich korrigierte meine Freud’schen Verschreiber und machte mich dann widerwillig auf, mein Versprechen einzulösen.
    Der Weg durch das Dickicht am Zaun war durch Gustls häufige Wildwechsel inzwischen schon recht breit geworden. So gelangte ich auf seinen Hof, ohne Löcher in meine Kaschmirjacke gerissen zu haben. In Gustls Haus kam ich genauso problemlos. Anscheinend hatte er hinter der Gardine gelauert, denn er riss die Tür auf, bevor ich die Klingel auch nur berühren konnte.
    «Sooo, des is ja schee, dass du mich a weng besuchen kommst», rief er begeistert und winkte mich herein.
    Ich holte noch einmal tief Luft und begann meinen Ausflug in eine fremde, unbekannte und anscheinend auch ziemlich schmuddelige Welt. Auf jeden Fall roch es schon im Flur recht muffig. Saß etwa in einem der Zimmer eine mumifizierte Mutter herum? Mist, ich hätte Gundi Bescheid sagen sollen, bevor ich einfach so hier hineinstolperte. Und jetzt machte Gustl auch noch die Tür hinter mir zu!
    Im Stillen nahm ich mir vor, mich unter allen Umständen von Duschvorhängen fernzuhalten.
    Gustl führte mich stolz durch ein paar vollgestopfte Zimmer, die tatsächlich so aussahen, wie der Geruch es vermuten ließ, aber das schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Er erklärte mir ausführlich, was es mit diesem und jenem Raumschmuck auf sich hatte, darunter eine Porzellanpferdchensammlung, die er von seiner Mutter geerbt hatte: «Und des do is der Hengst. Bei dem is des eine Hinterbein a weng abgangen, wie ich’n des letzte Mal abg’staubt hab …»
    Nach dieser Info hatte ich allmählich die Nase voll.
    «Warum hast du mich denn jetzt eingeladen?», wollte ich wissen.
    «Dafür müss mer unters Dach!» Gustl knetete sich unsicher die Hände, und auch mir war diese Wendung nicht ganz geheuer. Zögernd ging ich mit.
    Am oberen Ende der ausgelatschten Treppenstufen betraten wir einen schummerigen Korridor. In meiner Phantasie hatten sich mittlerweile noch mehr Horrorszenarien breitgemacht: Zu den eben besichtigten Beleidigungen des guten Geschmacks gesellten sich nun Spinnen, die in dunklen Nischen lauerten, und ein geisteskranker Bruder, den Gustl auf dem Dachboden versteckt hielt. Deshalb konnte ich im ersten Moment auch gar nicht glauben, was ich sah, als Gustl eine Tür öffnete und mich eintreten ließ.
    In dem Raum, in dem es durchdringend nach Firnis und Farbe roch, war jede freie Fläche mit Farbtuben, Pinseln und Spachteln belegt. Überall lehnten Leinwände, und am Fenster stand eine große Holzstaffelei mit einer verhüllten Leinwand: Ich stand in einem richtigen Atelier.
    Gustl hatte sich anscheinend auf Landschaftsmalerei

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