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Garantiert wechselhaft

Garantiert wechselhaft

Titel: Garantiert wechselhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fanny Wagner , Carolin Birk
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ein, ging zu einem Sandwichstand im Hof und holte uns was zum Mittagessen. Noch fünf Stunden, dann konnten wir endlich unsere Sachen zusammenpacken. Gott sei Dank.
    Auf dem Rückweg schlenderte ich an den anderen Ständen vorbei. Überall war die Stimmung ausgelassen, nur wir waren mit dieser sogenannten Kollektion fehl am Platz.
    An einer Koje, wo bunte Strickschläuche angeboten wurden, blieb ich stehen. Die Farbpalette war beeindruckend. Ich nahm ein auberginefarbenes Teil in die Hand und war überrascht, wie weich und leicht das Material war.
    «Die Farbe steht dir bestimmt gut!» Ein hübsches Mädchen, etwa Mitte zwanzig, stellte sich neben mich. «Magst du es mal anziehen?»
    «Wenn du mir zeigst, wie das geht?» Es war mir ein Rätsel, wo oben und unten war.
    «Ganz einfach.» Mit ein paar Handgriffen drehte sie es in die richtige Form und zog es mir über. Das Ergebnis war verblüffend. Der Strickschlauch entpuppte sich als raffiniert geschlungener Pulli, der über meinem schlichten langärmeligen Shirt einfach hinreißend aussah. Er zauberte eine schmale Silhouette, ohne auch nur ansatzweise eng zu sitzen, kaschierte durch die vorne gekreuzten Stoffbahnen meinen Bauch und schmeichelte durch einen weich fallenden Kragen.
    «Wahnsinn! Hast du die entworfen?»
    Die junge Frau nickte stolz. «Ich habe ein Jahr lang getüftelt, bis sie perfekt waren. Und jetzt suche ich den richtigen Vertrieb.»
    «Und? Klappt das?» Mit einem Mal dachte ich an meine eigenen Wickelentwürfe, die zu Hause in der Schublade lagen.
    «Einfach ist es nicht, aber ich habe hier ein paar vielversprechende Kontakte geknüpft.»
    Ich drehte mich vor dem Spiegel hin und her. «Echt schade, dass ich nicht mehr so jung bin wie du», sagte ich. «Dann würde ich so was vielleicht auch wagen.»
    «Mit dem Alter hat das nichts zu tun», sagte die junge Frau. «Ideen muss man halt haben. Und den Mut, sie dann auch umzusetzen.»
    Als ich mit meinem neu erworbenen Pulli und der Visitenkarte von Jeanette zu unserem Stand zurückging, hallten ihre Worte in meinem Kopf nach. Sie hatte recht. Man müsste sich einfach nur trauen.
    Ich nahm mir fest vor, mich bald wieder mit meinen Zwiebellook-Entwürfen zu beschäftigen. Auch wenn drei von vier Schnepfen meine Ideen als Schmarrn bezeichneten, hieß das ja wohl noch lange nicht, dass sie nichts taugten!

    Als Leni mich entdeckte, winkte sie hektisch. Dann sah ich auch, warum: Wir hatten Kundschaft!
    «Des is der Herr Graus von Moda Elongada aus Ferdd!», flüsterte sie mir aufgeregt ins Ohr. «Der ist fei ganz begeistert!»
    Zum Glück hatte der Mann ihr bereits seine Karte gegeben, und ich konnte Lenis Kommentar übersetzen.
    Herr Kraus aus Fürth war ein Endfünfziger mit Zweireiher und Riesenbrille, der sich dauernd mit der Zunge über die Lippen fuhr.
    «Endlich amol was G’scheits!», rief er und wühlte sich begeistert durch die Kollektion. «Und so scheene Fräggla!» Entrückt hielt er Rosis Bolerojäckchen in die Höhe.
    Ich stellte die Tüte mit unserem Mittagessen unter den Tisch mit den Flyern und beobachtete, wie unser Kunde aufgedreht durch die Koje sprang. Immer wieder rupfte er eine Bluse, einen Rock vom Bügel und drückte sie Leni in die Hand. Keine Frage, Herr Kraus war ein großer Fan zeitlos langweiliger Mode.
    «Wunderbare Ware! Sie hamm mir fei die Messe geredded!»
    Er drehte sich um und bemerkte, wie ich ihn fasziniert ansah. Mit vorgestreckten Armen kam er auf mich zu und schüttelte mir die Hand, als wolle er Wasser pumpen. «Ja, Grüß Godd! Gehören Sie wohl auch dazu?»
    «In gewisser Weise ja.» Ich versuchte, ihm meine Hand unauffällig wieder zu entwinden, aber Herr Kraus ließ das, was er an Land gezogen hatte, nur ungern los.
    «Sagen’s doch amol, is des Geschwaddl da auf dera Fäschn Wiek ned schregglich? Lauder Hibbies, des isserawahnsinn, finden’s ned auch?» Seine Zunge legte eine Extraschicht ein.
    Ich dachte an die wunderbare Jeanette und schüttelte den Kopf. «Nein, finde ich eigentlich nicht.»
    «Na ja, meins isses fei ned», sagte Herr Kraus pikiert und ließ endlich meine Hand los. «Aber zum Glück hab ich ja Sie gedroff’n.» Er zog seine gestreifte Seidenkrawatte gerade und ging zu unserem kleinen Tisch, auf dem Leni seine Auswahl drapiert hatte.
    Herr Kraus war ein Mann der Tat, und zwanzig Minuten später war die Bestellung geritzt. Mündlich jedenfalls, denn Herr Kraus bestand darauf, das Geschäft erst heute Abend perfekt zu machen. Bei einem

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