Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Garantiert wechselhaft

Garantiert wechselhaft

Titel: Garantiert wechselhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fanny Wagner , Carolin Birk
Vom Netzwerk:
Gläschen Sekt. In seinem Hotel.

    Wir hatten uns für sieben Uhr mit ihm verabredet. Leni war schon vor einer Viertelstunde im Bad verschwunden und machte sich schick. Jedenfalls dachte ich das, bis ich beunruhigende Geräusche hörte.
    «Leni? Beeilst du dich? Wir müssen gleich los.»
    Keine Antwort.
    «Leni?»
    Endlich ging die Tür auf. Leni war totenbleich und sah mich hohläugig an. «Mir is so schlecht, ich däd etzt gern in Ruhe sterb’n», sagte sie mit Grabesstimme. «Ich hädd heut früh ned die restlichen Wurschtbrode von der Fahrt essen soll’n, die ich in meiner Handdasche g’funden hab.»
    Oh. Mein. Gott.
    «Soll ich dir was aus der Apotheke holen?» Ich versuchte, meine Verärgerung nicht allzu sehr durchklingen zu lassen.
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich hab mer schon was eingepfiffen. Jetzt brauch ich einfach mei Ruh. Ach, so a Mist. Ich wär so gern bei unser’m ersten Geschäftsabschluss dabei g’wesen.»
    Ich spielte kurz mit dem Gedanken, das Treffen mit dem Lippenlutscher abzusagen. Aber dann wäre der ganze Aufwand mit der Fashion Week womöglich umsonst gewesen, und das wollte ich auf keinen Fall riskieren.
    Grimmig packte ich unsere Unterlagen und stiefelte zur Tür. «Schau, dass du wieder auf die Beine kommst!», rief ich und verließ mit einem Knall die Wohnung.

    Herr Kraus wohnte in einem schäbigen kleinen Hotel in Kudamm-Nähe und wartete schon in der Lobby.
    «Ganz allaans?» Sein Strahlen verriet, dass er nicht böse darüber war.
    «Frau Beyer hat etwas Falsches gegessen», sagte ich.
    «Kei’ Wunder bei dem ganzen ausländischen Grembl.» Herr Kraus gewährte mir unverzüglich Einblick ins Schatzkästchen seiner Vorurteile. «Mir kommt des fei ned auf’n Deller. Ich will mei Glöß und basta!»
    «Dann sollten Sie aber den Südamerikanern dankbar sein, denn dort wurde die Kartoffel zuerst kultiviert», sagte ich bockig. Fünf Minuten war ich erst mit dem Mann zusammen, und schon brachte er mich auf die Palme. Aber gut, ich war vorher schon wütend auf Leni gewesen. Vielleicht sollte ich etwas Nachsicht mit ihm haben.
    Herr Kraus war auch nicht auf Streit aus. «Lass mer des leidige Dhema», sagte er versöhnlich und zeigte auf eine dunkle Ecke in der Hotellobby. «Mir machen’s uns lieber erst amol gemüdlich.»
    Die Sitzecke, in der er unser Geschäft abschließen wollte, hätte einem Puff alle Ehre gemacht: schummriges Licht, fleckig-rote Samtbezüge und ein paar Tische mit Blumengestecken aus Plastik. Misstrauisch sah ich mich um.
    «Wollen wir uns nicht lieber in ein Straßencafé setzen?», schlug ich vor. «Es ist so schön draußen.»
    Kraus riss die Augen auf. «Raus? Zu all dene Griminelle? Am End rauben die uns noch aus! Naa, ich bleib fei lieber da.» Er nahm seine Aktenmappe, fasste mich am Ellbogen und führte mich an einen der Tische. «Etzt kümmern mir uns erst amol ums G’schäftliche, und dann …» Seine Zunge trat zur Abendschicht an, und mir wurde mulmig.
    «Ich hab fei alles scho vorbereided!» Er schob mir eine ordentliche Liste zu, auf der genau vermerkt war, was Herr Kraus wann und in welcher Ausführung geliefert haben wollte. Es war eine große Bestellung, die Schnepfen würden sich ordentlich ins Zeug legen müssen.
    In das Feld Auftragnehmer trug er sorgfältig Mode aus Wiestal ein und die Adresse der Schneiderei – den Gasthof.
    «Dann hätt ich da gern die Underschrift!» Ein dicker Zeigefinger klopfte auf die gestrichelte Linie, und ich unterschrieb.
    «Wunderbar!» Der Schnepfengeschäftspartner riss den Durchschlag aus dem Block und legte ihn mir hin. Dann beschlabberte er die Lippen, griff unter den Tisch und förderte einen Kühler mit einer Flasche Sekt zutage. «Überraschung!»
    Nach den ersten Schlucken wusste ich nicht, was mir größere Kopfschmerzen bereitete: der billige Sekt oder das dämliche Geschwätz von Herrn Kraus. Er jammerte über die schlechte Wirtschaft im Allgemeinen und über die schlechten Bedingungen im Einzelhandel im Besonderen, über die schlechten Angestellten und den noch schlechteren Geschmack der Kunden. Dass das Zeug, von dem er Glas um Glas in sich hineinkippte, auch schlecht schmeckte, erwähnte er nicht. Stattdessen rutschte er immer näher zu mir herüber.
    Ich verfluchte Lenis Geiz, wegen dem sie die alten Wurststullen in sich hineingestopft hatte, und hoffte, es würde sich bald eine gute Gelegenheit ergeben, zu verschwinden.
    Doch die ließ auf sich warten. Nach der ersten Flasche bot Herr Kraus

Weitere Kostenlose Bücher