Gargantua Und Pantagruel
Schlangen aus der Erde – und alles fürs Ränzel.
Sechsundvierzigstes Kapitel
Wie Pantagruel am Hof des Groß-Ingenieurs die Bauchredner und Bauchdiener verabscheute und wem diese opferten
Am Hof des mächtigen Großingenieurs sah Pantagruel zweierlei Arten zudringlicher, zur Ungebühr dienstfertiger Trabanten und Diener, die ihm ein wahrer Greuel waren. Die einen hießen Bauchredner, die anderen Bauchdiener mit Namen. Es waren Wahrsager, Zaubrer, Gauner und Betrüger des armen blöden Volks; statt aus dem Munde, schienen sie durch den Bauch zu reden und denen, die sie konsultierten, auf ihre Fragen Bescheid zu tun.
Die Bauchdiener andrerseits hielten sich trupp- und bandenweis eng aneinander, etliche lustig, zart und weich, die andern traurig, ernsthaft, finster, sauertöpfisch; alle müßig, faul, nichts schaffend noch treibend, eine unnütze Erdenbürde und Last, aus Furcht, wie man wohl annehmen konnte, den Bauch nicht zu kränken und abzumergeln. Im übrigen vermummt, verlarvt und so befremdlich angezogen, daß es ein wahres Gaudium war.
Während wir so noch ganz erstaunt uns Blick und Schick, Mien und Gebärden dieser großbrockschlundigen Bauchdiener betrachteten, hörten wir plötzlich ein Glöcklein sehr vernehmlich läuten, auf dessen Schall sich alle wie in Schlachtordnung nach Amt, Rang, Dienst und Alter stellten. So zogen sie vor Junker Gastern, hinter einem jungen, feisten, riesenmäßigen Schmerbauch drein, der auf einer langen schönvergoldeten Stange eine hölzerne schlecht geschnitzte und grob gemalte Bildsäule trug; sie hießen sie Kaugötze, ein ungeschlachtes, possierlich häßliches Bild und Popanz für kleine Kinder. Augen hatte es größer als der Bauch; der Kopf war dicker als all der andre Korpus zusammen, mit großen, breiten, furchtbaren Kiefern, wohlgezahnt unten und oben, die man mit Hilf eines kleinen in der goldnen Stang verborgnen Schnürleins schauderhaft gegeneinander klappen ließ.
Als nun die Bauchdiener kamen, sah ich, wie ihnen ein langer Zug handfester Knechte mit Körben, Ballen, Häfen, Ranzen und Pfannen beladen nachtrat. Unter dem Vortritt des Kaugötzen sangen die ich weiß selbst nicht was alles für Dithyramben, Trinklieder und Hymnen, öffneten ihre Körbe und Häfen und brachten ihrem Gotte weißen Edelwein mit zarten trocknen Rostschnittlein, Weißbrot, Karbonädel, sechs Sorten, Frikassee, neun Arten, Lyoner Suppen, Potpourris, Rebhuhntunken, gebratnen Kalbsstoß, kalt, Windhundssuppen.
Unendliches Getränk dazwischen; voran der weiße Firnewein, Claret und Roter hinterdrein, kühl, ja eiskalt sag ich euch; kredenzt und serviert in silbernen Schalen. Dann brachten sie geräucherte Rindszungen, Frikadellen, Salzfleisch, Hirnwürste, wilde Schweinsköpfe, eingepökeltes Wildbret mit Rüben.
Alles gepaart mit stetigem Trunk. Dann schoben sie ihm in den Rachen: Hammelschlägel mit Knoblauchbrühe, Schweinskoteletten mit Zwiebelbrüh, Krickenten, Haselhühner, Ricken, Rehböcke, Schöpskeule mit Kapern.
Zum Schluß kam ein Schluck Wein, damit das Schlucken geschmeidiger würde, nebst gerösteten Brotschnitten.
Siebenundvierzigstes Kapitel
Wie an magern Speck-Festtagen die Bauchdiener ihrem Gott opfern
Dies Opfrerpack mit seinen unzähligen Opfern verdroß Pantagruel; er wäre davongelaufen, wenn ihn nicht Epistemon ersucht hätte, das End der Posse mit anzusehen. – »Und was«, frug er, »opfern wohl die Lümmels ihrem Bauchlauchtigen Gott an magern Speck-Festtagen?« – »Ich will's Euch sagen«, antwortete der Steuermann. »Zur Vorkost bringen sie ihm: Kaviar, Anschovis, Thunfisch, frische Butter, Erbsbrei, Spinat, weiße Vollheringe, Bückling, Sardellen.
Da muß er wohl trinken, sonst holt ihn der Teufel. Dafür wissen sie guten Rat; das geht nie aus. Dann bringen sie ihm Forellen, Barben, Rochen, Karpfen, Stör, Tinten-, Schwert-, Sägefisch, Makrelen, Brataustern, Kamm-Muscheln, Langusten.
Wenn er auf solches Futter nicht trinken würde, so stände ihm der Tod zwei Finger breit am Kragen. Es war aber auch bestens schon dafür gesorgt. Dann brachten sie ihm: gesalznen Stockfisch, Laberdan, Kabeljau, Eier, weich, gerührt, gedämpft, verloren, durch die Asche gezogen, durch den Ofen gejagt, zu deren leichterer Verdauung und Verarbeitung der Rebensaft von frischem floß. Zu guter Letzt noch opferten sie: Reis, Hirse, Grütze, Graupenschleim, Prünellen, Butterschnee, Mandelbutter, Rosinen, Datteln, Nüsse, Haselnüsse und Artischocken.
Dazwischen
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