Gargantua Und Pantagruel
aufzusitzen, ohn Stegreif; ohn Zaum nach seinem Willen das Roß zu lenken. Denn solche Wagstück dienen zur Kriegszucht. Einen andern Tag übt' er sich mit der Streitaxt, die er so wacker ansetzt', so kräftig nach einem jeden Stoß wieder einholt', so geschmeidig im Rundhieb schwenkt', daß er im Feld und allen Proben für einen geschlagenen Ritter galt.
Dann schwang er die Piken, focht mit dem breiten zweihandigen Schwert, mit dem Bastardschwert, dem spanischen, mit dem kurzen Degen, dem Dolch, mit und ohn Harnisch, mit Schild, im Mantel, und mit dem Rundschild.
Hetzt' den Hirschen, den Rehbock, den Bären, den Damhirsch, den Eber, den Hasen, das Rebhuhn, den Fasan, den Trappen. Schlug den großen Ball und prellt' ihn in die Höh, sowohl mit Füßen als mit Fäusten.
Schwamm in vollem Strom, grad, rücklings, auf der Seit, mit ganzem Leib, mit den Füßen allein, eine Hand in der Luft, darin er ein Buch hielt; so rudert' er, ohn daß dies naß ward, über den ganzen Seinefluß und zog seinen Mantel in den Zähnen nach, wie Julius Cäsar. Drauf schwang er sich auf einer Hand mit großer Gewalt in einen Kahn, stürzt' sich daraus von neuem ins Wasser, den Kopf voran, sondiert' den Grund, durchforscht' die Klippen, taucht' in die Strudel und Abgründ unter, dreht' dann den Kahn, und steuert', fuhr jählings, langsam, stromauf, stromunter, hielt ihn an im vollen Schuß, lenkt' ihn mit einer Hand, mit der andern tummelt' er ein mächtiges Ruder, strafft' das Segel, stieg auf den Stricken zum Mast hinan, lief aufs Gestäng, richtet' den Kompaß, bracht' die Bolinen untern Wind, spannt' den Helmstock.
Wenn er dann aus dem Wasser kam, lief er mit Macht den Berg hinauf und gleichen Sprunges wieder hinunter, erklettert' die Bäum wie ein Katz, sprang wie ein Eichhorn von einem zum andern, stieg mit zwei wohlgestählten Dolchen und zween probrechten Reiterböcken auf den First eines Hauses wie ein Ratz hinan und wieder herunter mit so geschickt verschränkten Gliedern, daß ihm kein Fall ein Leids tun konnt'.
Man band ihm ein Tau an einen hohen Turm, das bis zur Erden reichte: an selbem haspelt' er mit beiden Händen hinan, dann fuhr er wieder so stramm und sicher daran herunter, daß ihr's auf gleicher Weisen nicht besser könntet. Man steift' ihm einen starken Balken zwischen zwei Bäum, daran hing er sich mit den Händen und ruscht' so flink dran hin und wider, ohn mit den Füßen wo anzustoßen, daß man ihn in gestrecktem Lauf nicht ereilt hätt'. Auch um sich die Lung und den Thorax zu üben, brüllt' er so laut wie tausend Teufel. Ich hab' ihn einmal den Eudämon von Sankt Viktorspforten her bis zu Montmartre rufen hören. Stentor im Treffen vor Troja hatt' fürwahr noch lang kein solche Stimm.
Und um die Flechsen zu kräftigen, hatt' man ihm ein Paar große Bleimulden gegossen, eine jede 8700 Zentner schwer, die er Hanteln nannt'. Dieselben nahm er von der Erd auf, in jede Hand eine, und hub sie über den Kopf in die Höh: hielt sie also unverwandt dreiviertel Stunden und länger empor, was eine unnachahmliche Stärke war.
Wann er nun also die Zeit verbracht und sich getrocknet, abgerieben, gewischt und mit neuen Kleidern erfrischt hatt', zog man ganz langsam wieder heim, und da nahmen sie ihren Weg etwa über die Wiesen oder Örter, wo Kraut und Gras wuchs; da beschauten sie sich die Bäum und Kräuter und hielten sie gegen die Bücher der Alten, so davon geschrieben haben, und brachten alle Händ voll mit nach Haus davon, wo es ein junger Edelknecht namens Rhizotomus aufbewahrte. Sobald sie nun nach Haus gekommen, wiederholten sie, derweil man das Nachtbrot rüstet', etliche Punkte von dem, was sie gelesen hatten, und saßen damit bei Tisch. Hie merket, daß sein Imbiß nüchtern und mäßig bestellt war, denn er aß allein nur so viel, um das Bellen des Magens zu beschwichtigen. Aber sein Nachtmahl war vollauf und reichlich, denn er nahm dann ein, soviel ihm zu seiner Leibesnahrung und Unterhalt vonnöten war. Welches auch die wahre Diät nach guter und zuverlässiger Vorschrift der Arzeneikunst ist, soviel auch ein Troß mauläffischer Ärzte, in der Sophisten Werkstatt versauert, dawider meinen und belfern mögen. Während der Mahlzeit ward die Lektüre vom Morgenimbiß fortgesetzt, so lang es ihnen gefällig war, und die übrige Zeit mit guten, gelehrten und nützlichen Reden verbracht. Drauf nach verrichtetem Dankgebet fing man wiederum musikalisch zu singen und auf wohlgestimmten Instrumenten zu spielen
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