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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francois Rabelais
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so weit er konnt' herunter, bis er mit den Füßen die Erd erreichte. Darauf erhub er sich mit Macht und trug also gebunden die Wieg auf dem Rücken davon wie eine Schildkröt, die an einer Mauer hinankreucht. Solchergestalt begab er sich in den Saal, wo bankettiert ward, und erschreckte die da Versammelten fürwahr nicht wenig. Weil ihm aber die Händ inwendig geschlossen waren, konnt' er nichts zu essen erreichen, sondern bückt' sich mit schwerer Müh, ob er etwa mit der Zung einen Bissen erwischen könnte. Als dies sein Vater sah, erkannt' er, daß man ihn ohne Nahrung gelassen, und befahl auf den Rat der versammelten Fürsten und Herren, daß man ihm die Ketten abnehmen sollte; zumal auch des Gargantua Leibärzt der Meinung waren, daß, wenn man ihn so in der Wiege hielt, er sein Lebtag am Nierenstein und Grieß würde zu leiden haben. Als er nun los war, ließ man ihn mit niedersitzen: da hieb er sehr tapfer ein und schlug seine Wiege in mehr denn 500 000 Stücke mit einem einzigen Faustschlag, den er im Ärger mitten darauf vollführt' – mit dem Protest, in seinem Leben nie einen Fuß mehr drein zu setzen.

Viertes Kapitel
Von Jugendtaten des edlen Pantagruel und wie er nach Paris kam
    So nahm Pantagruel täglich zu und gedieh sichtbar. Des freute sich sein Vater aus natürlicher Liebe und ließ ihm, wie er noch klein war, eine Armbrust zur Kurzweil machen, nach den Vögeln damit zu schießen. Heutzutag führt sie den Namen der großen Armbrust zu Chantelle. Darnach tat er ihn auf Schulen, daß er da lernen und seine jungen Jahre zubringen sollte. Er probierte der Reihe nach die hohen Schulen durch, fand aber keine so nach seinem Geschmack, wie die große Universität in Paris.
    Als er aber gen Paris mit seinen Leuten kam, lief bei seinem Einzug dort alle Welt hinaus, ihn zu sehen; wie ihr denn wohl wißt, daß das Volk in Paris die meisten Maulaffen feilhält. Sie betrachteten ihn mit großem Entsetzen, ja nicht ohne Furcht, daß er ihnen das Stadthaus etwa wo andershin, irgendwo nach Tripstrill trüge, wie sein Vater weiland die Glocken von Notre-Dame für seine Mähre zum Halsband nahm. Und nachdem er daselbst eine Zeitlang gewohnt und alle sieben freien Künste mit allem Fleiß getrieben hatt', sagt' er, es wär' eine gute Stadt, darin zu leben, nicht aber zu sterben, weil sich die Spittelleute zu Sankt Innozenz an den Knochen der Toten die Hintern wärmten.

Fünftes Kapitel
Wie Pantagruel zu Paris von seinem Vater Gargantua ein Schreiben erhielt; nebst Abschrift desselben
    Die ganze Zeit studierte Pantagruel sehr brav, wie ihr leicht denken könnt, und bracht' auch was Stattliches hinter sich, denn er hatt' einen doppelt genäheten Geist und ein Gedächtnis so weit, wie der größte Weinschlauch, und eines Tages, während er daselbst sich aufhielt, überkam er von seinem Vater ein Schreiben, welches lautete wie folgt:
    »Vielgeliebter Sohn! Unter den Gnadengütern und Vorzügen, womit der allmächtige Weltenschöpfer die Natur des Menschen in ihrem Ursprung begabt hat, scheinet mir vor allen herrlich und einzig zu sein, durch unsres Leibesabkunft im rechtmäßigen Ehestand schon im sterblichen Zustand eine Art von Unsterblichkeit zu erlangen.
    Nun aber verbleibt, auf diesem Wege samlicher Fortpflanzung, in den Kindern, was den Eltern verlorenging, und in den Enkeln, was den Kindern abhanden kam, und immer so fort bis zur Stund des Jüngsten Gerichtes.
    Derhalb ich dann wohl eine gerechte und billige Ursach hab, Gott meinem Erhalter zu danken, daß er mich dahin aufgesparet, mein graues Alter in deiner Jugend wiederum neu erblühen zu sehen. Denn wann dereinst auch meine Seel diese irdische Wohnung verlassen muß, werd ich mich doch nicht gänzlich für gestorben achten, vielmehr von einem Orte nur an einen andern zu gehen meinen, weil ich in dir und durch dich mit meiner sichtbaren Leibesgestalt auf dieser Erde lebend, sehend, in der Gemeinschaft wackerer Leut und meiner Freunde, so wie ich pflog, zurückverbleibe. Die Freude, die mir daraus erwächst, wär aber klein, wenn ich nun sehen und denken müßt', daß nur der geringste Teil von mir, welches der Leib ist, überblieb, und der beste, die Seel', die unsern Namen unter den Menschen im Segen erhält, entartet und verkümmert wäre.
    Solches sag' ich nun nicht etwa aus Mißtrauen gegen deine Tugend, die ich vorlängst erprobt, vielmehr, um dich zu immer besserem Wachstum im Guten dadurch aufzumuntern. Und was ich dir jetzt schreibe, ist nicht

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