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Gargantua Und Pantagruel

Gargantua Und Pantagruel

Titel: Gargantua Und Pantagruel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francois Rabelais
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Als Pantagruel den Handel erfuhr, ward er darüber keineswegs bös, unwirsch oder mürrisch. – Er nahm Panurg bloß auf die Seite und hielt ihm liebreich vor, daß, wenn er nicht besser Haus halte, es ganz unmöglich oder zum mindesten doch sehr schwer sein werde, ihn jemals reich zu machen. »Reich?« sprach Panurg, »stand Euer Sinn Euch darnach, mich – mich reich zu machen in dieser Welt? Alle gute Geister! Denkt lieber darauf, daß wir ein lustiges Leben führen; all andre Sorg, all andrer Kummer sei doch fern von dem hochheiligen Sitz Eures himmlischen Gehirns, dessen Klarheit nimmer auch nur das kleinste Wölklein von Trübsinn oder Griesgram trüben möge! Wenn Ihr frisch, fröhlich und guter Ding seid, hab ich des Reichtums voll und satt.«

Zweites Kapitel
Wie Panurg die Schuldner und Borger lobt und wie Pantagruel sie verabscheut
    Wann aber«, frug Pantagruel, »werdet Ihr außer Schulden sein?« – »Anno nimmermehr«, antwortete Panurg, »wann alle Welt vergnügt sein wird, und jeder sein eigner Leibeserbe. Gott woll nicht, daß ich je aus den Schulden herauskäm! Dann fänd' ich ja keinen Menschen mehr, der mir auch nur einen Heller leiht. Habt Ihr allezeit einen Gläubiger, so wird er ohn Unterlaß Gott für Euch um Glück und Segen und langes Leben bitten, aus Furcht, sein Geld zu verlieren; wird immerdar in Gesellschaft von Euch nur lauter Liebes und Gutes reden, Euch immer neue Gläubiger werben, damit Ihr ihm sein Loch mit fremdem Zeug stopft. Glaubet nur: mit desto heißerer Andacht werden Euere Gläubiger Gott für Euch um Leben bitten und vor Euerm Tod erzittern, als ihnen der Ärmel näher denn der Arm, der Beutel lieber denn Leben ist, so wie die Wucherer, die sich unlängst erhenkten, weil sie sahen, daß der Wein und das Getreide im Preis abschlage und eine billige Zeit komme.«
    Als hierauf Pantagruel keine Antwort gab, fuhr Panurg fort: »Potz Blitz! Ihr bringt mich, wenn ich mir's recht bedenk', fürwahr ganz aus dem Häuschen mit Euerm Tadel meiner Schulden und Gläubiger. Und doch halte ich mich gerade in diesem Punkt allein für herrlich, hoch und hehr, weil ich aus dem Nichts heraus Geschöpfe hervorbringe. Was schaff' ich? So viel schöne und gute Gläubiger. Denn Gläubiger sind schöne, gute, fromme Geschöpfe. Wer aber nichts herleiht, das ist ein häßliches, erzböses Geschöpf.
    Was mach' ich? Schulden. O seltnes Glück! O edles Kleinod! Schulden, sag' ich, an Zahl die Silben übersteigend, die aus der Verbindung der Vokale mit allen Konsonanten entstehn! Glaubt mir, daß mir sauwohl wird, wenn ich jeden Morgen diese so demütigen, dienstbaren Gläubiger scharwenzelnd um mich versammelt seh'; wenn ich den einen ein wenig freundlicher anschau', ihn etwas besser traktier' als die andern, denkt der Esel gleich, er werd' sein Saldo zuerst erhalten, und nimmt mein Lächeln für bar Geld. Dann ist mir's, als wenn ich noch wie früher bei der Karfreitagspassion Gottvater spielen würde, umgeben von allen seinen Engeln und Cherubim. Und dies Sonntagsglück wollt Ihr mir rauben? Und Ihr fragt mich, wann ich schuldenfrei sein würde? Ja, was noch ärger ist! Denn Gott sei mein Zeuge, wenn ich nicht all mein Lebtag Schulden für eine Kette und Brücke zwischen Himmel und Erde gehalten habe.
    Zum Beweise, stellt Euch einmal eine Welt ohne Schulden vor! Da werden die Gestirn aus allen ihren Gleisen weichen. Nichts wie Verwirrung. Jupiter, weil er Saturnen nichts mehr schuldet, wird ihn aus seiner Sphäre stoßen. Der Mond wird blutigrot und finster bleiben; wofür sollt' ihm die Sonne ihr Licht leihn? Sie ist doch nicht dazu verpflichtet. Die Sonne wird nicht mehr auf Erden scheinen, die Sterne nicht mehr mit gutem Einfluß herunterleuchten, denn die Erd gibt ihnen ihre Dünste und Nebel ja nicht mehr zur Nahrung, von denen, wie Cicero lehrt, die Sterne gespeist werden. Aus Erden wird kein Wasser kommen, das Wasser nicht in Luft sich wandeln, aus Luft kein Feuer entstehn, das Feuer die Erde nicht wärmen. Unter den Menschen wird keiner dem andern mehr beistehn, wie laut er auch um Hilfe, Mord, Feuer, Wasser und zeter schreit – niemand wird kommen: warum? Er hat nichts hergeliehen, man war ihm nichts schuldig, niemand hat Schaden von seinem Brand, von seinem Schiffbruch, Tod und Verderben. Er hat nichts verliehen, dafür leihet man ihm nun wieder nichts. Kurz, Glauben, Lieb und Hoffnung werden aus dieser Welt verbannet sein; denn die Menschen sind dazu geboren, einander zu helfen und

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