Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
Heilfaktor. Vielleicht dachte er, wenn jemand anders sie in einen Vampir verwandelt, also mehr oder weniger 'vollständig', dass es ihr dann schneller wieder besser geht.“
„Dann meinst du, der Papst hat ihre Krankheit geheilt, aber ein anderer Vampir ist hingegangen und hat sie auferstehen lassen?“ Er umfasste das Lenkrad etwas fester.
„Klingt doch schlüssig, oder?“
Wieder presste er die Lippen zusammen. Ganz offensichtlich gefiel ihm diese Vorstellung nicht. „Ich schätze, ja.“
„Ich will damit nur sagen, dass es zu Mátyás passen würde, sich für alle Fälle abzusichern.“
„Auf meinen Zauber hatte sie jedenfalls gut reagiert“, murmelte er.
„Wie meinst du das?“, fragte ich. „Was hat das zu bedeuten?“
„Ich habe nur überlegt, wenn Teréza noch einen anderen Schöpfer hat, dann wäre meine Macht über sie geschwächt. Das würde vermutlich auch erklären, warum sie überhaupt erst versuchen konnte, mich zu töten.“
„Ich habe keine Ahnung, was es mit diesem Vampir-Zeugs auf sich hat. Parrish hat über seinen Schöpfer praktisch kein Wort verloren.“
„Tja, und ich habe überhaupt keinen“, betonte er. „Ich kann nur raten.“
„Aber du kanntest einen Zauber, der wirken würde. Woher beziehst du dieses Wissen?“
Sebastian sah mich an der Sonnenbrille vorbei aus dem Augenwinkel an. „Mich gibt’s jetzt schon rund tausend Jahre. Meinst du, ich wäre in dieser Zeit noch nie einem anderen Vampir begegnet?“
„Dann weißt du also was“, folgerte ich. Eine Gruppe Eichen, die ihre braunen Blätter einfach nicht loslassen wollten, hielt für einen Moment die Sonne von mir fern.
„Nicht so richtig. Der Vampir, den ich kennengelernt hatte, war sehr ... wortkarg, was die Traditionen angeht. Und dabei stellte sich heraus, dass Vampire sehr territorial denken. Sie sah in mir eine Bedrohung.“
„Sie?“, wiederholte ich. Dass Parrishs Schöpfer eine Frau war, wusste ich, doch ich hatte bisher keine Ahnung gehabt, dass Sebastian je einem weiblichen Vampir begegnet war. Ich
verspürte eine gewisse Eifersucht.
Sebastian reagierte nicht und sah stur auf die Fahrbahn, ohne das Thema zu vertiefen. „Ich habe aber zumindest erfahren, dass Hollywood in einem Punkt richtig liegt – dass nämlich ein Vampir umso mächtiger wird, je mehr Nachfahren er hat. Es hängt damit zusammen, dass er Macht über die andere Person besitzt. Die Macht über Leben und Tod.“
„Wie soll ich das verstehen? Dass ein Schöpfer seine Nachkommen mit einem finsteren Blick töten kann?“
„Nein“, gab er lachend zurück. „Nein, sondern indem er die Bindung durch einen Zauber löst.“
„Kannst du das bei Teréza machen?“
„Hörst du mir eigentlich überhaupt zu?“, fuhr er mich an. „Wenn ich das tue, stirbt sie.“
„Oh.“ Und was wäre daran so schlimm? „Aber sie trägt doch das Zeichen eines anderen Vampirs an sich“, stellte ich klar.
Sebastian sah mich wütend an. „Es ist zu riskant.“
Ich nickte. Also lag ich mit meiner Vermutung richtig, dass sie ihm immer noch zu viel bedeutete und er ihr nicht wehtun wollte. Vielleicht sollte ich das Ganze mal aus Mátyás’ Perspektive betrachten. „Na ja, wenn wir diesen anderen Schöpfer finden könnten, dann würde es uns vielleicht gelingen, ihn zur Mithilfe zu bewegen. Mátyás scheint ja zu glauben, dass man ihr nur ein wenig unter die Arme greifen muss.“
„Sofern das überhaupt zutrifft“, hielt Sebastian dagegen und schob seine Sonnenbrille gerade. „Nein, Terézas Problem besteht darin, dass sie zu lange beerdigt war.“
„Aber dieser andere Vampir könnte sie ja vielleicht... na ja, unter seine Fittiche nehmen.“
„Seine?“, wiederholte er. „Gibt es einen bestimmten Grund, dass du von einem Mann ausgehst?“
Dummerweise konnte ich mir in diesem Moment nur einen dringend Tatverdächtigen vorstellen, von dem man wusste, dass er gegen bare Münze zubiss.
Sebastian brauchte nicht lange, dann war er zur selben Schlussfolgerung gelangt. „Wenn das dieser Daniel Parrish war, dann wird er sich noch wünschen, er wäre im Grab geblieben.“
SEMIQUINTIL
S CHLÜSSELWÖRTER : S CHWIERIG UND BLOCKIERT
Als wir am Straßenrand hielten, gab ich meinem düster dreinblickenden Vampir einen flüchtigen Abschiedskuss, von dem er aber kaum etwas mitbekam, da er zu sehr in Gedanken versunken war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er den Morgen damit verbringen würde, nach Leuten Ausschau zu halten, die ihm sagen
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