Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
geraten.
„Ja, so was hatte ich mir schon gedacht“, meinte ich. „Aber ich will ihr eigentlich gar nichts tun, Mátyás. Ich möchte nur ..." Mein Handy klingelte. Ricky Martin sang mir wieder etwas vor. Ich zog es aus der Tasche und sah auf das Display. Die unitarische Pfarrerin! Große Göttin, wollte sie jetzt auch noch absagen? Ich musste es wissen, also hob ich einen Finger, um Mátyás zu bedeuten, dass erwarten sollte.
„Ist das jetzt dein Ernst?“, fragte er ungläubig.
Ich ignorierte ihn und nahm das Gespräch an. „Ja?“, fragte ich zögerlich, da ich mit dem Schlimmsten rechnete. Vielleicht rief sie aus dem Krankenhaus an, weil sie vom Bus angefahren worden war. Doch dann erklärte sie, dass sie nur nachfragen wollte, ob alles so blieb wie vereinbart. Ich atmete erleichtert auf und wollte ihr überschwänglich dafür danken, dass sie nicht die nächste Katastrophenmeldung überbracht hatte. Bevor ich aber ein Wort sagen konnte, fiel ihr noch etwas ein: Sie wollte mir sagen, dass für den Probedurchlauf morgen Abend alles bereit war.
„Morgen Abend?“
So stand es in ihrem Terminplan, und sie nannte mir gut gelaunt die Uhrzeit.
„Aber die Hochzeit ist erst in eineinhalb Wochen.“
Sie geriet ins Stocken, und an den Geräuschen, die aus dem Hörer drangen, konnte ich erkennen, dass sie in ihrem Kalender blätterte. O ja, da war die Hochzeit eingetragen. Am
einundzwanzigsten. Das war alles in Ordnung, aber offenbar war die Kirche an den Tagen davor wegen verschiedener vorweihnachtlicher Aktivitäten komplett ausgebucht. Wir würden den Probedurchlauf eben früher stattfinden lassen müssen, es sei denn natürlich, ich wollte lieber darauf verzichten.
„Nein“, erklärte ich mit Nachdruck. So wie alles, was mit dieser Hochzeit zusammenhing, bislang verlaufen war, musste ich den Gang zum Altar unbedingt ein Mal geprobt haben. „Nein, nein, das kriegen wir schon hin. Ich muss nur allen Bescheid sagen.“
Ich legte auf. Die Sonne ging in einem tiefen Bernsteinton unter. Die kalte Luft ließ die Farben viel intensiver erscheinen. Mátyás und ich sahen zu, wie sie langsam hinter den Horizont glitt.
Dann begann er zu graben. Ich kniete mich neben ihn, um Schulter an Schulter mit ihm den hohen, nassen Schnee wegzuschaufeln.
Während die Kälte sich um meine Waden legte, musste ich daran denken, wie Mátyás und ich letzten Sommer Sebastian auf einem Friedhof ausgegraben hatten. Meine Finger wurden trotz der Fäustlinge allmählich kalt, aber zumindest würde ich diesmal keine Blasen davontragen.
Diesmal, dachte ich betrübt und fragte mich, wie oft sich diese Szene wohl wiederholen würde. Konnte eine Ehe dem übernatürlichen Irrsinn in unserem Leben ein Ende setzen?
Irgendwie hatte ich daran meine Zweifel, vor allem angesichts der Tatsache, dass ja nicht mal die Hochzeit an sich stattfinden konnte, ohne dass wir mit einem Fluch belegt wurden.
„Geht es dir gut?“, fragte Mátyás. „Du führst irgendwelche Selbstgespräche.“
„Sorry“, erwiderte ich, während ich eine bleiche Hand freilegte. Wie es schien, hatte Sebastian bereits damit begonnen, sich aus eigener Kraft auszugraben. Sein Arm zuckte nach oben, seine Finger bewegten sich schmerzhaft langsam.
„Das ist Vater“, erklärte Mátyás mit einem Anflug von Stolz. „Er lässt sich einfach nicht unterkriegen.“
Sobald die Hand vom Schnee befreit war, küsste ich Sebastians eiskalte Handfläche. Seine Finger legten sich um mein Gesicht, und ich wusste, es würde alles gut werden. Tränen drohten mir die Sicht zu nehmen.
„Ich kann Mama nicht finden!“, rief Mátyás aufgeregt. Nachdem Sebastians Hand ausgegraben war, machte er sich mit frischem Eifer daran, sich aus seinem eisigen Gefängnis zu befreien.
Dann wurde mir das Problem klar. In Wahrheit hatte er Teréza bereits ausgegraben, doch er konnte sie nicht sehen, weil Athenas Schild sie vor Entdeckung schützte.
„Warte kurz, ich kann dir helfen“, sagte ich zu Mátyás, aber er hörte mir nicht zu, sondern kratzte weiter den Schnee weg. Also blieb mir nichts anderes übrig, als für einen Moment die Augen zu schließen und in einen meditativen Zustand zu wechseln. Da ich immer noch müde genug war, brauchte ich keine halbe Minute, um das gewünschte Resultat zu erlangen. Kaum befand ich mich in Trance, stellte ich mir vor, wie Athena über Terézas Körper gebeugt stand, und sagte zu ihr: „Ich danke dir und entbinde dich.“
Mit einem Salut verschwand sie
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