Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
in Gefahr waren. Als ich schließlich die Augen öffnete, hatte sich das Durcheinander nur noch weiter gesteigert.
Jeder der Anwesenden war inzwischen dazu übergegangen, sich mit äußerst hilfreichen Kommentaren wie »O mein Gott!« oder »Jesus Christus!« oder »Was soll denn das?« an der
Konfrontation zu beteiligen.
James Dingsda wurde umso bleicher, je mehr Blut Sebastian verlor. Es spritzte unaufhörlich auf das Hemd und die völlig durchschnittlich aussehende silbrige Krawatte unseres Stalkers.
Wieder und wieder schlug Sebastian James’ Hand gegen die Wand, bis er den Pflock losließ. Dann trat er das Holzstück weg, doch es kam nicht weiter als bis zum Stiefel eines Gaffers.
Ich war nicht daran gewöhnt, tatenlos zuzusehen. Ich musste irgendetwas unternehmen, notfalls auch ohne göttliche Unterstützung. Aber zwischen mir und den beiden Kontrahenten drängten sich so viele Schaulustige, dass ich noch immer nicht den Tisch verlassen konnte, an dem ich stand. Sobald ich es versuchte, wurde ich von den anderen Leuten mit Ellbogenstößen zurückgedrängt.
Na großartig, ich war nicht mal in der Lage, Sebastian zu Hilfe zu eilen, während der kurz davor war, James vor Dutzenden Augenzeugen zu töten.
»Hey, Mann, du verblutest ja«, rief ein langhaariger Typ mit blondem Bart, der hinter der Theke stand.
Tatsächlich konnte Sebastian es sich nicht leisten, noch viel mehr Blut zu verlieren. Irgendwie gelang es mir, Blickkontakt zu ihm herzustellen und ihm so eine Botschaft zu übermitteln, die er hoffentlich verstehen würde. »Lass den Stalker los und lauf zur Tür«, forderte ich ihn wortlos auf und deutete in Richtung Ausgang.
Er schien meine Gedanken lesen zu können, denn im nächsten Moment ließ er James los und trat einen Schritt nach hinten. Dann legte er eine Hand über das Loch in seinem T-Shirt, und wie von Zauberhand - was ganz sicher auch die Erklärung war - ließ die Blutung deutlich nach.
Die Menge teilte sich vor Sebastian, als er in Richtung Ausgang strebte. Ich wollte um die Leute herumgehen, um mich mit ihm an der Tür zu treffen, da fiel mir am Rande meines Gesichtsfelds auf, dass James die Hand hob und etwas metallisch Glänzendes festhielt.
»Pass auf, Sebastian!«, schrie ich.
Noch jemand musste das Messer bemerkt haben, denn mit einem Mal stieß der Bärtige Sebastian zu Boden. Eine Frau mittleren Alters mit rötlichen Locken nahm James in den Schwitzkasten, was unglaublich mutig und zugleich dumm und leichtsinnig war. Genau genommen war es das, was ich mit Athenas Unterstützung auch hatte tun wollen, erkannte ich voller Eifersucht. Ich musste eingestehen, dass es mir gar nicht gefiel, untätig rumzustehen und darauf zu warten, dass andere die Initiative ergriffen. Da war mir die Königin der Hölle doch wirklich viel, viel lieber.
Mein eigener Frust und meine Angst verliehen mir die Kraft, mich durch die Menge zu drängen, damit ich dorthin gelangte, wo Sebastian zu Boden gedrückt wurde. Im Lokal war weitgehend wieder Ruhe eingekehrt, als auf einmal die Cops mit gezückten Schlagstöcken hereingestürmt kamen, gefolgt von Rettungssanitätern mit Erste-Hilfe-Koffern. Das sich dann anschließende Pandämonium hätte ich eher in einer Bikerkneipe oder auf der Nationalversammlung der Republikaner erwartet, nicht aber an einem Samstagmorgen in einem kleinen, ruhigen Café.
Ich versuchte, meinen Kopf zu schützen, während ich neben Sebastian kauerte, um zu sehen, ob mit ihm alles in Ordnung war. Sein Blick ruhte auf dem Hals des Bärtigen, als die Cops dem Mann hochhalfen. Sebastian selbst bewegte sich nicht, sondern lag reglos in einer Blutlache.
Er hatte so viel Blut verloren, dass sein Gesicht totenbleich war. Hätte ich ihn nicht so gut gekannt, wäre ich ganz sicher davon überzeugt gewesen, dass er tot war.
»Was ist hier los?«, wollte einer der Polizisten wissen.
»Wenn ich das wüsste!«, gab der andere Barista zurück, ein dunkelhaariger Typ in einem kurzärmeligen Bowlinghemd. »Aber der da«, fuhr er fort und zeigte auf Sebastian, »ist zuerst
auf ihn dort losgegangen.« Dabei deutete er auf James. »Und der hat ihm dann dieses Holz in den Leib gerammt.«
Nachdem die Cops eingetroffen waren, zogen sich die Schaulustigen so hastig zurück, als hätten Sebastian und James die Pest. Ich kniete weiter neben Sebastian und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter, die sich zumindest noch warm anfühlte. »Hey«, flüsterte ich ihm zu. »Wie geht es dir?«
Er
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