Garou
still, aber der Wald war es nicht. Schreie und Schlagen und dann - ein Schuss! Lane fuhr herum. Ein Schießeisen! Wo war das Schießeisen?
»Dort hinten!«, flüsterte Madouc. »Wir laufen vor dem Lärm weg, und dort, wo es still ist, warten sie.«
Lane blickte hinüber zu der Lichtung, wo es so warm und friedlich aussah, und zitterte.
»Was machen wir?«, flüsterte sie. »Wo laufen wir hin?«
»Über die Lichtung«, sagte Madouc. »Mit dem Hut. Sie werden nicht auf uns schießen, wenn sie den Hut sehen. Der Häher hat es gesagt. Der Hut wird uns beschützen. Die Farbe wird uns beschützen.«
»Glaubst du das?«, fragte Lane und blickte skeptisch auf das kleine bunte Fetzchen Stoff.
»Nein«, sagte Madouc. »Aber die Menschen und die Metalldinge glauben es. Das genügt! Wir müssen nur dicht zusammenbleiben, damit der Hut uns beide beschützen kann.«
Lane atmete tief ein und nickte.
Den Hasen hatte er einwandfrei erwischt, 1 a Schuss, das würde selbst Jacques zugeben müssen, der arrogante Sack! Aber jetzt war es wieder ruhig. Das war der Ärger bei diesen Treibjagden. Stehen und warten und sich den Arsch abfrieren. Die Treiber hatten es da besser, die waren wenigstens in Bewegung. Trotzdem: wenn er es sich recht überlegte, wollte er nicht auf der anderen Seite sein, trotz der ganzen Schutzkleidung. Er hatte da Geschichten gehört... Da!
Endlich bewegte sich wieder etwas am Waldrand. Er legte an. Zielte. Ruhig jetzt! Ganz ruhig!
Die Leuchtfarbe sah er erst im letzten Moment. Er ließ das Gewehr wieder sinken. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Verdammt, war das knapp gewesen! Gerade dachte er noch an Geschichten, und jetzt... Aber korrekt war das nicht. Die Farbe saß zu tief, und sie flappte auf und ab und bewegte sich viel zu schnell.
Mit offenem Mund und gesenktem Gewehr sah der Jäger zu, wie ein Schaf und eine schwarze Ziege mit einem Schutzhut im Maul über die Lichtung rasten und auf der anderen Seite wieder im Wald verschwanden.
Dann machte er seinen Mund wieder zu.
»Still, Marcassin! Ruhig, Páquerette!«, mahnte der Ungeschorene.
Othello, Maude, Mopple und Heathcliff jedenfalls standen still wie Steine, umgeben von stacheligen Brombeerranken und dichtem Gestrüpp. Das Tier war jetzt so nah, dass der ganze Wald voll von ihm schien, und sein Gebrüll jagte ihnen Schauer über das Fell. Schwer vorstellbar, dass es ihr Gestrüpp nicht einfach platt walzen würde, und sie mit.
Othello senkte wieder die Hörner. Mopple stand vollkommen still in einer Art Schreckstarre, und Heathcliff riss nur die Augen auf. Aber Maude hielt es nicht mehr aus und wollte gerade davonpreschen, als der Ungeschorene den Kopf drehte und sie eindringlich ansah.
»Bleib, Gris!«, sagte er. »Wir haben den schlimmen Winter überstanden, und wir überstehen auch das.«
Maude wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, aber auf einmal war der Moment für Flucht vorbei. Direkt vor ihnen schien sich das Tier zu spalten, in viele Stücke zu zerspringen, und statt eines Monsters kamen drei Menschen in albernen bunten Westen durch das Dickicht. Sie schlugen mit Stöcken gegen Baumstämme und brüllten. Dann waren sie auch schon vorbei, einer links von ihnen und zwei rechts, und um sie herum lag wieder nur der Wald, still und erschöpft.
Die Schafe standen da und staunten und ließen es zu, dass sich ihre Flanken langsam beruhigten. Heathcliff sah den Ungeschorenen an, scheu und respektvoll, dann machte er zwei Schritte auf ihn zu, obwohl der Fremde so seltsam moosig roch und feucht.
»Wie heißt du?«, fragte er.
Der Fremde pendelte den Kopf hin und her. »Ich... ich heiße ... ich bin ... ich weiß nicht. Ich habe es vergessen, glaube ich.«
»Wie kannst du das vergessen?«, Heathcliff staunte.
Der Fremde legte den Kopf schief und dachte. »Es... es war nicht so wichtig, irgendwie. Es war wichtig, die anderen nicht zu vergessen... Gris und Päquerette und Aube ...«
Heathcliff sah zu dem Fremden auf, der seinen eigenen Namen vergessen hatte, um die Namen der anderen zu beschützen. Es war etwas, das man von keiner Ziege lernen konnte -und trotzdem war es wichtig.
»Wir werden einen neuen Namen für dich finden«, sagte er dann. »Ich weiß, wo man sie finden kann! Du wirst schon sehen.«
Die Schafe standen am Rand der Weide und grasten und lauschten, witterten und verdauten, aber sie ließen den Himmel über dem Wald nicht aus den Augen. Der Himmel war erst strahlend blau, wurde dann dunkler,
Weitere Kostenlose Bücher